25. Juli 2014 (Wohnungspolitik)

Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Homburch-Barop eG verklagt 84-jährigen kranken Mieter auf Räumung

Dortmund. „Unsere Wohnungsmieter können in ihren Wohnungen, sofern sie ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, alt werden.“ Mit dieser Aussagebeschreibt die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft (GWG) Homburch-Barop eG ihr Prinzip des genossenschaftlichen Wohnens. Auf diese Wohnsicherheit bei Wohnungsgenossenschaften verließ sich auch der heute 84-Jährige Dieter Berse, als er 1977 mit seiner Familie in seine Wohnung in dem 1902 erbauten Altbau Vereinsstraße 21 einzog.

„Platz machen“ für neue Wohnungen

Doch im Juli 2013 kam der Schock. Die GWG Homburch-Barop informierte darüber, sein Wohnhaus sowie die benachbarten Wohnhäuser Am Kohlrücken 11 bis 15 und Vereinsstraße 23 abreißen zu wollen. Neue moderne Wohnungen sollen ab 2015 dort gebaut werden. Für Dieter Berse kam ein Auszug aus der vertrauten Wohnung und Wohnumgebung nicht in Frage, in der er sich trotz krankheitsbedingter Einschränkungen sehr gut zurecht findet. Sein Sohn zog mit Familie gezielt in eine Eigentumswohnung gegenüber, um in der Nähe seiner Eltern wohnen zu können. Zudem hatte Dieter Berse über die Jahre knapp 25.000 Euro in die Renovierung der Wohnung investiert. Immer mit Zustimmung der Vermieterin, die die Wohnung für eine günstige Miete anbot und im Gegenzug nicht in die Wohnung investieren musste. Unter anderem vereinigte er zwei kleine Wohnungen zu einer großen, baute einen Balkon an und sanierte die Badezimmer.

Dem von der GWG Homburch-Barop vorgelegten Aufhebungsvertrag wollte er daher nicht zustimmen. „Mieter sollten Verträge unterschreiben, bevor Sie verbindlich eine konkrete Ersatzwohnung zu einem bestimmten Mietpreis zugesichert bekommen hätten. Auch Entschädigungen für die erheblichen Eigenleistungen wurden nicht angeboten,“ erläutert Rechtsanwalt Daniel Holl, zuständiger Rechtsberater beim Mieterverein Dortmund.

Wohnungsgenossenschaft erhöht den Druck

Im Februar 2014 erhöhte die GWG Homburch-Barop den Druck und kündigte die Wohnung von Herrn Berse wegen „mangelnder wirtschaftlicher Verwertung“ nach § 572 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Herr Berse wies über den Mieterverein Dortmund die Kündigung als unberechtigt zurück und machte seine krankheitsbedingten Härtegründe geltend. Dies interessierte die Wohnungsgenossenschaft nicht. Zwei Monate später, im April 2014 reichte die GWG Homburch-Barop die Räumungsklage beim Amtsgericht Dortmund ein. Herr Berse beauftragte der Anwaltskanzlei Messler & Messler aus Bochum mit seiner gerichtlichen Vertretung.

 

Intaktes Haus angeblich nicht zu retten

In ihrer Klageschrift behauptet die von der GWG Homburch-Barop beauftragte Anwaltskanzlei, dass:

„[…] bei den vorhandenen Häusern keine Bodenplatte vorhanden und die Wärmedämmung unzureichend [ist]. Des Weiteren ist keine Barrierefreiheit gegeben und es fehlen Balkone, was ebenfalls nicht zeitgemäß ist. […] Aufgrund dieses nicht mehr zeitgemäßen Zustandes der Häuser ist eine angemessene Bewirtschaftung nur durch einen Abriss der vorhandenen Bebauung und die Ersetzung durch einen Neubau möglich.“

„Wärmedämmung und Balkone sind nachrüstbar. Bei bestehenden Wohnungen lassen sich Barrieren zumindest reduzieren. Die Argumentation der Vermieterin ist daher haarsträubend. Wie würden unsere Städte heute aussehen, wenn Altbauten gar nicht sanierbar wären?“ kommentiert Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. die Klagebegründung.

Ein in dem von Dieter Berse in Auftrag gegebenen Gebäude-Gutachten aus dem Oktober 2013 werden keinerlei Mängel am Gebäude Vereinsstraße 21 festgestellt, die einen Abriss erforderlich machen würden. Auch eine belastbare Vergleichsberechnung, warum ein Neubau wirtschaftlicher wäre, liegt nicht vor. „Auf die höhere Miete bei einem Neubau, im Vergleich zu einem über hundert Jahre alten Haus abzuzielen, ist eine schwache Argumentation. Unverständlich ist auch, warum das freistehende Gebäude Vereinsstraße 21 zwingend für die Ersatzbauten am Kohlrücken abgerissen werden soll,“ sagte Rechtsanwalt Daniel Holl.

Mieterverein: Rücknahme von Kündigung und Räumungsklage

Für den Mieterverein Dortmund ist die Kündigung wegen angeblicher mangelnder wirtschaftlicher Verwertung unberechtigt. Zudem liegen schwerwiegende Härtegründe auf Seiten Herrn Berses vor, die einer Räumung entgegenstehen. Daher gibt es eine klare Erwartung an die Vermieterin:

„Die GWG Homburch-Barop muss die Kündigung und die Räumungsklage unverzüglich zurücknehmen, damit Herr Berse in seinem vertrauten zu Hause bleiben kann. Alte, kranke Mieter dürfen nicht derart unter Druck gesetzt werden. Bei einer Wohnungsgenossenschaft erst recht.“ So die Forderung von Mietervereinssprecher Dr. Tobias Scholz.

 

Pressemitteilung Mieterverein Dortmund und Umgebung e. V. // 24.07.2014 


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