„Das war eine runde Sache“, sagte Tobias Scholz nach der Veranstaltung. „Wir haben dieses Thema sehr bewusst gewählt, denn die Arbeit bei den Mieterinnen und Mietern vor Ort war für Helmut Lierhaus sehr wichtig. Eine Bilanz der Initiativenarbeit zu ziehen und gleichzeitig einen Ausblick in die Zukunft zu wagen, bot sich einfach an.“ Mehrere Diskussionsblöcke, die Journalist Kay Bandermann souverän leitete, zeigten die Arbeit der Mieterinitiativen, -beiräte und -vereine. Und es wurde deutlich: Den Normmieter gibt es nicht. Ganz unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien berichteten von ihrer Arbeit in der Interessenvertretung. Waren es in den 1980er Jahren vor allem Kämpfe gegen die massenhafte Umwandlung von Mietwohnraum in Eigentum und gegen den Abriss und die Privatisierung von Arbeitersiedlungen, so ist es heute die zunehmende Verwahrlosung von Siedlungen und ganzen Stadtteilen, gegen die sich Mieterinitiativen wehren.
„Wenn ein paar Kinder bei einer Demonstration ein Schild hochhalten, das geht immer.“ So pragmatisch berichtete Peter Vorhölter von seiner Öffentlichkeitsarbeit im Konflikt um die Alte Kolonie Eving. Und sorgte für Heiterkeit im Publikum. Zusammen mit Horst Gläser aus der Hansemann-Siedlung in Mengede und Andreas Koch, der Ende der Wohnungspolitik 1980er Jahre in der Bremer Straße das „Niemandsland“ begründete, schilderte er Konflikte und Strategien in der Auseinandersetzung mit Vermietern. Koch
setzte gemeinsam mit anderen Bewohnern in der Bremer Straße auf die Wirkung von riesigen Fassadenbannern und einer Quasi-Hausbesetzung. „Die Plakate sollten potenzielle Käufer abschrecken und ihnen zeigen, dass mit uns nicht gut Kirschen essen ist.“ Die Strategie ging auf. An der Bremer Straße wohnen heute Freunde seiner Tochter. Immer noch mit den damals ausgehandelten Verträgen. Horst Gläser brachte es auf einen gemeinsamen Nenner: „Es herrscht eine relative Ruhe, sodass auch die Arbeit des Mieterbeirats ruht, aber ich bin mir sicher, sollte es erneut brennen, wird die Löschmannschaft ganz schnell wieder aktiviert werden.“
„Wir haben vor ungefähr einem Jahr den Vorstand der Deutschen Annington angeschrieben und bis heute keine Antwort bekommen. Man hat uns also gar keine andere Möglichkeit gelassen, als an die Öffentlichkeit zu gehen.“ – Peter Gehrmann verdeutlichte die aktuelle Situation der verschiedenen Mieter -initiativen und -beiräte. Zu Wort kamen neben Gehrmann, Monika Hohmann aus Westerfilde, Ulrich Braun aus Wickede und Siegfried Klewer, Mitbegründer des Mietervereins Echeloh e.V. Die vier gaben Einblicke in die unterschiedlichen
Organisationsformen, vom eingetragenen Verein, über Mieterbeirat, bis hin zur reinen Initiativenarbeit. Öffentlichkeit ist für die Arbeit der Mietervertreter wichtig. Monika Hohmann: „Sie kann viel bewirken. Schlechte Nachrichten gefallen den Eigentümern gar nicht gut, weil sie auch von den Geldgebern gelesen werden.“ Ein Problem, das jeder in der Runde erwähnte: die Distanz zu den jeweiligen Eigentümern und Verwaltergesellschaften. Viel Zeit wird in Warteschleifen von Hotlines verloren. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem Mieterverein im Allgemeinen und mit Helmut Lierhaus im Besonderen empfanden alle Akteure als hilfreich und wichtig für ihre Arbeit vor Ort.
„Die Gesellschaft bewegt sich in Richtung mehr bürgerliches Engagement. Der sogenannte Wutbürger ist wichtig, denn er verändert etwas.“ Klare Worte von Helmut Lierhaus, der gemeinsammit Vertretern der Wohnungspolitik der Frage nachging, wie zwischen „Wutmietern“ auf der einen und „Heuschrecken“ auf der anderen Seite vermittelt werden kann. Hans-Peter Neuhaus, laut Moderator Bandermann „seit gefühlten drei Generationen“ Leiter des Amtes für Wohnungswesen, lobte dabei den Dortmunder Weg der vorbereitenden, bilateralen Gespräche. „Dann sind sie bereit sich an einen Tisch zu setzen und Kompromisse zu suchen.“ Einen jungen, wilden Ansatz der wohnungspolitischen Arbeit stellte Martin Krämer vom Mieterforum Ruhr am Beispiel des Hamburger Netzwerkes „Recht auf Stadt“ vor. „Um die Aufmerksamkeit auf zu hohe Mietpreise zu richten, veranstalten einige Initiativen sogenannte ‚Fette Mieten-Parties’. Die Aktivisten stürmen nackt Wohnungsbesichtigungen und werfen Konfetti.“ Eine Art der Mobilisierung, die Bernhard „Felix“ von Grünberg, Vorsitzender des DMB NRW zwar begrüßte, die aber aufgrund ihrer losen Organisationsstruktur nur schwer zu unterstützen sei. Helmut Lierhaus wollte die Skepsis, dass strukturierte Mietervereine die spontan agierende Facebook-Generation nicht mehr erreichen, nicht gelten lassen. „Besser es kommt so eine Bewegung, und wir als Mieterverein laufen ihr hinterher, als dass sie gar nicht kommt.“
„Schneller vor Ort zu sein als die Polizei, ist keine leichte Aufgabe. Dafür danken wir dir.“ Vorstandsmitglied Dr. Anja Szypulski, die bereits mit ihrer Begrüßung in das Thema Mieterinitiativen einführte, richtete in ihrem Schlusswort einige persönliche Sätze an den sichtlich gerührten Helmut Lierhaus, der ab - schließend vom DMB Vorsitzenden NRW von Grünberg und Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des DMB,mit der Ehrennadel in Gold geehrt wurde. Beim anschließenden Buffet bedankten sich zahlreiche Besucher aus dem Publikum persönlich bei Lierhaus. In vielen Gesprächen sah man ihn dort, wo er selbst immer am liebsten arbeitete: Zwischen den Menschen und ganz nah am „kleinen Mann“.
Autor: Mirko Kussin/ report.age
Der Artikel ist in MieterForum Nr. 23 (März 2011) erschienen.
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