Vonovia, Deutschlands mit Abstand größtes Wohnungsunternehmen, verdient ausgezeichnet. 2017 stiegen die Mieteinnahmen um 4,2 Prozent, nicht zuletzt aufgrund hoher Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen. Auf der Aktionärsversammlung am 9. Mai soll jetzt eine Dividendenausschüttung von 675 Millionen Euro beschlossen werden.
Die Kehrseite dieser Vonovia-Erfolgszahlen sind Mieterhöhungen bis zu 80 Prozent und angekündigte Mietsteigerungen bis zu mehr als 4,80 Euro pro Quadratmeter. Die mit den Modernisierungen verbundenen Wohnwertverbesserungen oder Heizkostenersparnisse fallen demgegenüber kaum ins Gewicht.
Ulrich Ropertz, Geschäftsführer Deutscher Mieterbund (DMB): „Der Gesetzgeber ist hier gefragt. Er muss die Mieterhöhungsspielräume aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen drastisch einschränken, bestehende Schlupflöcher schließen und eindeutig definieren, wann Härtegründe auf Mieterseite greifen und Mieterhöhungen ausschließen.“
Typische Vonovia-Modernisierungen sind: Wärmedämmung der Fassaden, der Außenwände, Wärmedämmung der Kellerdecken und der obersten Geschossdecken, neue Kunststofffenster im Treppenhaus und in den Wohnungen, Austausch der Heizungsanlagen und ein hydraulischer Abgleich.
Im Regelfall geht es bei wohnwertsteigernden Maßnahmen um die Erneuerung von Elektrosteigeleitungen im Treppenhaus, neue Wohnungseingangstüren mit besseren Schall-, Wärme-, Brand- und Einbruchsschutz, den Anbau eines Balkons oder den Einbau eines Aufzugs, immer dann, wenn das Dachgeschoss zusätzlich ausgebaut und so neue Wohnungen geschaffen wurden.
Nach dem Gesetz kann Vonovia 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen - dauerhaft, das heißt zeitlich unbefristet. Folge sind Mietsteigerungen bis zu 80 Prozent, Mieterhöhungen, die siebenmal höher ausfallen als die von Vonovia großzügig prognostizierten Heizkostenersparnisse (vgl. Anlage, Seite 1).
Der Umfang der Mieterhöhungen, die gefordert werden dürfen, hängt nicht zuletzt von der Höhe der Modernisierungskosten ab bzw. von der Frage, wie viel Instandhaltung und Instandsetzung in den jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen steckt. Diese - fiktiven - Kosten müssen aus den Kosten der Modernisierungs-Baumaßnahme herausgerechnet werden.
Beispiel Heizungsmodernisierung (vgl. Anlage, Seiten 3 bis 5): Ist der Austausch einer 33 Jahre alten Heizung, die über kurz oder lang sowieso repariert oder erneuert werden müsste, tatsächlich eine Modernisierung? Wenn ja, dann muss auf jeden Fall ein angemessener Abzug für eingesparte Instandhaltungen vorgenommen werden. Soweit Vonovia Abzüge von 2 bis 3 Prozent vornimmt, ist das nicht angemessen.
Ähnliche Fragen tauchen beim Austausch der teilweise beschädigten und verrotteten Fenster auf, bei der Erneuerung von Haus- oder Wohnungseingangstüren, bei der Fassadendämmung usw.
Die Kosten der Einzelmaßnahmen werden nur unzureichend dargelegt. Die Auswirkungen auf den Heizkostenbedarf werden nur pauschal berechnet. In keinem Fall führt eine energetische Modernisierung trotz behaupteter Einsparungen zu einer Senkung der monatlichen Heizkostenvorauszahlungen. Auch an einer plausiblen Darstellung, wie die Gesamtmodernisierungskosten des Hauses auf die einzelnen Wohnungen und Mietparteien verteilt werden, fehlt es häufig.
„Mieterhöhungen, die keine nachvollziehbare Berechnung des Erhöhungsbetrages enthalten, die den Aufteilungsschlüssel der Gesamtkosten auf die Wohnung nicht hinreichend erläutern oder keine nachvollziehbaren Angaben zu den abgesetzten Kostenanteilen für Instandhaltung und Instandsetzung beinhalten, sind unwirksam“, erläuterte Ulrich Ropertz unter Berufung auf Entscheidungen des LG Bremen (2 S 124/17), AG Bremen (2 C 520/16 und 6 C 333/16) und AG Aachen (105 C 44/17).
Nach dem Gesetz muss der Vermieter mindestens drei Monate vor Beginn der Modernisierungsmaßnahme die Mieter schriftlich informieren über die Art der geplanten Modernisierung, den voraussichtlichen Umfang der Arbeiten, den voraussichtlichen Beginn und die Dauer der Maßnahme sowie die zu erwartende Mieterhöhung und die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten.
Die Modernisierungsankündigungen von Vonovia sind „seitenstark“, also mitunter sehr umfangreich, aber sie sind nicht aussagestark. Vielfach enthalten sie nur immer wiederkehrende Textbausteine mit allgemein gehaltenen Informationen. Der Beginn und die voraussichtliche Dauer der Einzelmaßnahmen werden nicht mitgeteilt. Der Instandhaltungsanteil wird pauschal angegeben, der konkrete Zustand in den Mietwohnungen spielt dabei keine Rolle.
Die prognostizierte Heizkostenersparnis wird großzügig ermittelt. Sie liegt nahezu immer zwischen 50 und 60 Prozent der bisherigen Heizkosten und macht zwischen 0,29 und 0,45 Euro pro Quadratmeter und Monat aus. Dem stehen voraussichtliche Mieterhöhungen zwischen 4,88 und 2,16 Euro pro Quadratmeter gegenüber (vgl. Anlage, Seiten 6 bis 11).
Die daraus resultierenden Mietsteigerungen und Wohnkosten sind für einen Großteil der Vonovia-Mieter nicht tragbar. Mieter werden so aus ihren langjährigen Wohnungen gedrängt bzw. abhängig von Sozialleistungen und bezahlbarer Wohnraum geht dauerhaft verloren.
Die umfassenden Baumaßnahmen dauern oft ein Jahr lang an (vgl. Anlage, Seiten 7, 10 und 11) und sind mit starken und vielfältigen Beeinträchtigungen für die dort wohnenden Mieter verbunden. Dauerlärm und Dauerschmutz, diverse Folgeschäden in der Wohnung usw. führen zu starken Wohnwertbeeinträchtigungen. Soweit es sich bei den Baumaßnahmen um energetische Modernisierungen handelt, dürften Mieter in den ersten drei Monaten nach dem Gesetz noch nicht einmal die Miete kürzen. Sind dann Mietminderungen möglich, müssen sie in jedem Einzelfall gegenüber Vonovia durchgekämpft werden.
Grundsätzlich müssen Mieter nach dem Gesetz Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters dulden. Das gilt auch für den Fall, dass sie die Modernisierungsmieterhöhung nicht bezahlen können. Sie haben nur die Chance, den Härtegrund „unbezahlbar“ gegenüber der Mieterhöhung einzuwenden. Mieter müssen sich aber schon zeitnah auf diesen Härtegrund berufen, kurz nach der Modernisierungsankündigung. Hat der Mieter diesen Zeitpunkt verpasst, ist er mit seinem Härteeinwand ausgeschlossen (vgl. Anlage, Seite 16).
Ob Vonovia auf derartige Härteeinwände reagiert, ob die Mieterhöhung reduziert oder zurückgenommen wird, scheint vom Zufall abhängig zu sein bzw. willkürlich. Während bei Modernisierungsfällen in Bonn nach Interventionen des Mietervereins die Mieterhöhungen zurückgenommen bzw. gesenkt wurden (vgl. Anlage, Seiten 12 und 13), hält Vonovia in Witten an den Mieterhöhungen fest, obwohl hier die Wohnkostenbelastung für die betroffenen Mieter auf 76 bis 65 Prozent steigt (vgl. Anlage, Seiten 14 und 15). Auch in Dortmund (Anlage, Seite 16) hat eine 75-jährige Rentnerin keine Chance. Es bleibt bei der Mieterhöhung, der Härteeinwand sei zu spät erhoben worden.
Anlage: Modernisierungsbeispiele
Prof. Dr. Stefan Kofner:
Modernisieren ohne Maß und Ende? (Vortrag)
Klimaschutz kontra Mieterschutz? (Vortrag)
Modernisieren ohne Maß und Ende? (Präsentation)
Pressemitteilung Deutscher Mieterbund // 04.05.2018