1. August 2016 (Wohnungspolitik)

Stadtentwicklung: Nordwärts in die Zukunft

Im Mai des vergangenen Jahres startete in Dortmund das Projekt Nordwärts. Laufzeit: Zehn Jahre. Knapp 45,7% des Dortmunder Stadtgebietes liegen innerhalb des Projektraums. Mehr als 240.000 Dortmunder leben im Projektgebiet. Ganz klar, Nordwärts ist ein Mammutprojekt.

Ein Jahr ist inzwischen seit dem Start vergangen und Nordwärts hat Fahrt aufgenommen. Doch um was geht es eigentlich ganz genau? Harriet Ellwein von der Koordinierungsstelle Nordwärts weiß die Antwort: „Nordwärts ist ein Projekt für die Bereiche Eving, Huckarde, Innenstadt-Nord, Mengede, Scharnhorst sowie Teile von Innenstadt-West und Lütgendortmund und will mit einem breit angelegten Dialog- und Bürgerbeteiligungsverfahren zur Harmonisierung der Lebensqualität in der Gesamtstadt beitragen.“ Kurz: die Stärken und Potenziale des nördlichen Stadtgebietes sollen gefördert und sichtbar gemacht werden. Ein Schritt, der wichtig ist.

Zehn Themenfelder

Ambitioniert ist dabei die Vielfalt der Themen, die bearbeitet werden. Die Projektverantwortlichen beschränken sich nicht auf ein oder zwei Schwerpunkte, die den Norden nach vorne bringen sollen, es sind gleich zehn Themenfelder, in denen bis zum Jahr 2025 Projekte gesucht, entwickelt und angestoßen werden. Sie reichen von Infrastrukturmaßnahmen, über soziale Innovationen bis hin zu Projekten aus den Bereichen Bildung, Integration oder Arbeit. In einem breit angelegten Beteiligungsverfahren können Bürger bis zum 01. September Projekte vorschlagen oder selbst initiieren. Wie gut dies angenommen wird, zeigen die Zahlen: Mehr als 2.000 Ideen wurden bisher eingereicht. Und auch nach September geht es weiter. Eine neue Vorschlagsrunde startet zu Beginn des kommenden Jahres.

Bürgerbeteiligung

Auch wenn es bei einem so langfristig angelegten Projekt etwas früh erscheint, kann Harriet Ellwein bereits eine Zwischenbilanz ziehen: „Wir können auf das erste Jahr sehr positiv zurückblicken. Aus den vielen Ideen wurden bisher rund 200 Projekte ausgewählt oder entwickelt. Das zeigt uns, dass diese Art des Beteiligungsverfahrens sehr gut angenommen wird.“ Die Nordwärts-Verantwortlichen wollen das Projekt offen, niedrigschwellig und transparent halten. Entsprechend aktuell und umfangreich werden Neuigkeiten auf den Projektseiten der Stadt Dortmund (http://tinyurl.com/zmlw44u) veröffentlicht. Ein eigener Facebook-Auftritt erweitert die Möglichkeiten der Bürger mit den Machern ins Gespräch zu kommen. „Dieser partizipative Weg der Beteiligung und des zivilen Engagements ist sicherlich ein Meilenstein“, weiß Ellwein. Und auch außerhalb des Internet können sich die Dortmunder in Bürgercafés, Expertenforen und an Infoständen auf Stadtteilfesten auf den neuesten Stand bringen.

Finanziert werden die Einzelprojekte seitens der Stadt Dortmund zum Teil aus bereits vorhandenen Töpfen, ab 2017 ist ein eigener Etat geplant. Aber die Projektverantwortlichen sehen sich auch gar nicht als Geldgeber. „Wir verstehen uns  als Vermittler und Koordinator, der den einzelnen Projekten hilft, Fördergelder von EU, Bund und Land zu beantragen oder an Stiftungen heranzutreten“, erklärt Harriet Ellwein.

Die Entscheidung, welche Projekte aus den Vorschlägen ausgewählt werden, wird in mehreren Etappen gefällt. Als erstes steht ein Abgleich an: Ist die Idee neu? Arbeiten vielleicht an anderer Stelle bereits andere Initiativen an der Umsetzung? Passt die Idee überhaupt ins Nordwärts-Konzept?

Kuratorium berät

Anschließend befassen sich verschiedene fachkundige Arbeitsgruppen der Verwaltung sowie Strategiekreise des Kuratoriums mit der Idee. In diesem Kuratorium sitzen mehr als 50 ausgewählte Vertreter aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft, also Politiker, Entscheider aus Wirtschaft und Forschung sowie führende Köpfe verschiedenster Interessengruppen wie Kirchen, Vereinen und Gewerkschaften. Auch Mietervereins-Geschäftsführer Rainer Stücker ist Kuratoriums-Mitglied. Die Arbeitsgruppen empfehlen schließlich, welche Projekte gefördert werden sollen. Die Entscheidung fällt letztendlich der Rat der Stadt.

Kritik

Ein Erfolg von Nordwärts ist sicherlich auch die breite Zustimmung, die das Projekt partei- und interessenübergreifend bekommt. Doch es gibt auch kritische Stimmen, die die Umsetzung in einigen Punkten bemängeln. So äußerte sich die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN besorgt zur Finanzierung des Projekts. „Hier wird das Linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip angewendet“, sagte Fraktionsvorsitzender Utz Kowalewski. „Erst wird an einer Stelle Geld eingespart, bevor es an anderer Stelle wieder ausgegeben wird.“

Und auch in Dortmund-Mengede ist die Bezirksvertretung nicht mit allen Nordwärts-Plänen glücklich. Joachim Farnung von der CDU stellt klar: „Natürlich ist es gut, dass der Handlungsbedarf im Dortmunder Norden erkannt wird und dass dort strukturell etwas verbessert werden soll. Allerdings habe ich auch bei einigen Projekten Bauchschmerzen. So halte ich etwa die Pläne für den Geschosswohnungsbau an der Waltroper Straße für falsch, weil die Lärmbelästigung durch die A2 einfach zu groß ist.“ Auch die – eigentlich bereits verworfenen – Pläne im Groppenbruch ein interkommunales Industriegebiet anzusiedeln, kommen durch Nordwärts erneut zur Diskussion und auf den Tisch. Ein Schock für die Bewohner des grünen Stadtteils mit seinen vielen Naturschutzgebieten. Doch die Entscheidung steht noch aus.

Dies werden nicht die einzigen Punkte bleiben, die in den kommenden Jahren zu Diskussionen führen werden. Ein solch großes Projekt, mit so vielen Themenfeldern und unterschiedlichen Interessensgruppen wird dies aushalten müssen. Es gilt Lösungen finden, mit denen alle besser als bisher leben können. 

Autor: Mirko Kussin, erschienen im MieterForum Nr. 44 II/2016


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