17. September 2018 (Wohnungspolitik)

Klimawandel - Die Stadt als Schwamm

In Berlin wurde im Frühjahr die bundesweit erste kommunale Regenwasser-Agentur gegründet. Die Sisyphusaufgabe: Die Großstadt trotz rasant fortschreitender Bebauung in einen Schwamm zu verwandeln, der die voraussichtlich zunehmenden Starkregen schadlos verarbeiten kann. Auch im Ruhrgebiet folgen Städte dem Aufruf des Bundesverbandes kommunaler Unternehmen und lassen lokale Klimaanalysen und fast bis auf die Hausnummer genaue Risikostadtpläne erarbeiten.

Foto von Helmut Lierhaus

Das Gewitter, das am 22. April 2018 über den Dortmunder Süden niederging, war kurz und heftig. Die Feuerwehr musste mehrfach wegen überschwemmter Keller und Straßen ausrücken. Der Deutsche Wetterdienst hatte zuvor eine Unwetterwarnung ausgegeben. Die Frage, ob es sich um eine Wetterkapriole oder eine Folge des Klimawandels handelte, stellt sich für Wasserwirtschaft und Kommunen nicht mehr. Immer mehr Städte, darunter Essen und Witten, präsentieren ihre vom Regionalverband Ruhr individuell erstellte Klimaanalyse im Internet. Planungshinweiskarten sollen Entscheidungshilfen für konkrete Anpassungsmaßnahmen liefern.

Initiative „Wasser in der Stadt von morgen“

Eine ganze Reihe von Ruhrgebietsstädten, darunter Dortmund und Herne, haben sich deshalb in der neu gegründeten Initiative „Wasser in der Stadt von morgen“ zusammengefunden. So sollen Ideen entwickeln werden, wie das Wasser bei Starkregenereignissen aufgefangen werden kann. Eine Stadt testet beispielhaft und gibt die Erfahrungen an andere Städte weiter. Dortmund hat sich dem Thema Dachbegrünung angenommen. In dicht besiedelten Stadtteilen, in denen die Hitze im Sommer unerträglich werden könnte, muss jeder, der dort neu baut oder einen genehmigungspflichtigen Umbau seines Daches plant, dieses auch begrünen. Aufgrund der geringeren Abwassergebühren profitieren davon sogar Mieterinnen und Mieter.

Ergebnisse mit Brisanz

An Forschung, Ideen und Wissensvermittlung fehlt es im Ruhrgebiet nicht. An der Ruhruniversität Bochum hat der Geograph André Baumeister in seiner Doktorarbeit einen Starkregen in Bochum am 20. Juni 2013 analysiert und ein Modell für „Wasserabflussraten“ entwickelt. Seine Kenntnisse gibt er in Lehrveranstaltungen an Geografiestudierende weiter. Das in Gelsen-

kirchen ansässige Institut für Unterirdische Infrastruktur schult unter dem Leitbild der Schwamm-Stadt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von inzwischen 50 Kommunen und Abwasserverbänden bundesweit. Mit Computerprogrammen, die mit Daten aus Wetterkunde, Statistik, Geologie und der Abwasserwirtschaft gefüttert werden, erstellt das Institut neuartige Stadtpläne, in denen fast bis auf die Hausnummer genau erkennbar ist, welche Straßenzüge bei welcher Regenmenge durch Überflutung gefährdet sind. Das hat Brisanz: Laut dem Journalistenbüro Correctiv gibt es Streit über die Veröffentlichung der Warnkarten im Internet. Es geht um den Marktwert der Grundstücke in begehrten Stadtkernen und beliebten Vororten, wenn erkennbar ist, dass sich hier regelmäßig Mischwasser aus Niederschlag und übergelaufener Kanalisation sammeln könnte. 

Autoren: Martin Krämer, Helmut Lierhaus, erschienen in Mieterforum Nr. 52 II/2018


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