19. Mai 2020 (Wohnungspolitik)

Unionviertel: Konstanter Wandel

Seit Anfang Januar konnten Besucher des Mietervereins die ausgestellten Fotografien des Dortmunder Künstlers Eisenhart Keimeyer in der Geschäftsstelle betrachten und auf sich wirken lassen. Die Motive stammen allesamt aus dem Unionviertel und dessen Umgebung. Einem Quartier, das sich aktuell wie kaum ein anderes in Dortmund verändert. Und in dem sich weitere Veränderungen ankündigen.

Foto: Eisenhart Keimeyer

Begleitend zur Ausstellung und als Finissage fand in der Geschäftsstelle Mitte Februar ein Diskussionsabend zur Entwicklung des Quartiers statt. Neben Tobias Scholz vom Mieterverein und dem Fotografen waren auch noch Svenja Noltemeyer von den Urbanisten sowie die Leiterin des Amtes für Stadterneuerung, Susanne Linnebach, anwesend. Neben den bisherigen Erfolgen im Viertel gab es auch reichlich Gesprächsbedarf über die Zukunft – insbesondere über die Nutzung der ehemaligen HSP-Fläche und die Internationale Gartenausstellung 2027.

Ein neuer Name

Das Gebiet im Schatten des Dortmunder U erstreckt sich entlang der Rheinischen Straße vom Westentor bis zur Emscherbrücke, im Norden begrenzt durch das HSP-Gelände, im Süden durch die S-Bahn-Linie. Den Namen bekam es erst vor ein paar Jahren, im Rahmen des Stadterneuerungsprojektes Rheinische Straße. Aber er schlug ein: „Der Name entstand gemeinsam mit den BewohnerInnen und Aktiven vor Ort. Als wir ihn auf den Weg brachten, hätten wir nie gedacht, dass er so schnell angenommen werden würde“, fasste Susanne Linnemann den Findungsprozess zusammen.

Die Aktiven vor Ort, das sind vor allen Dingen, die Betriebe im Union Gewerbehof, der gemeinnützige Verein „Die Urbanisten“ und die zahlreichen Kreativen, die entlang der Rheinischen Straße günstigen Wohnraum fanden: Künstler und Designer, Startupper, wie der Unverpacktladen „Frau Lose“ und alteingesessene Alternativ-Institutionen wie das Café Banane. Man kennt sich und zieht an einem Strang.

Gentrifizierung? Nein! Doch!

Doch mit der Aufwertung des Quartiers kommen auch neue Probleme auf die Bewohner zu. „Dass der Spar- und Bauverein im Viertel vertreten ist, hat bestimmt zu einer Stabilisierung beigetragen und eine große Gentrifizierungswelle verhindert“, erläuterte Svenja Noltemeyer. „Indirekt beteiligt sich die Genossenschaft aber an dieser Gentrifizierung, weil sie die Mieten an den Mietspiegel anpassen.“

Und die zukünftigen Pläne für das Kreativquartier lassen die Angst vor nachteiligen Entwicklungen nicht kleiner werden – im Gegenteil. Die Essener Thelen Gruppe erwarb die 45 Hektar große Fläche des ehemaligen Hoesch Spundwand-Werkes. Auf etwa einem Drittel der Fläche sollen nach dem Willen der Stadt und des Investors, die bisherigen vier FH-Standorte unter dem Namen „Smart Rhino“ zusammengefasst werden. Sicherlich gut, um den Stadtteil aufzuwerten, aber auch mit der Aussicht auf mehr als 20.000 Studierende, die ins Quartier kommen. „Die günstigen Räume für Künstler fehlen doch jetzt schon“, gab Keimeyer zu Bedenken. „Wenn du momentan einen Atelierraum im Unionviertel suchst und du Glück hast, findest du einen beim Spar- und Bauverein für 8,50 Euro pro Quadratmeter. Es gibt solche Räume einfach nicht.“

Günstiger Wohnraum fehlt.

Tobias Scholz vom Mieterverein bestätigte zwar Mietsteigerungen, ordnete sie aber im moderaten Bereich ein. Zumal der Wohnungsmarkt im gesamten Stadtgebiet in den vergangenen Jahren spürbar angezogen hat und der Druck inzwischen auch in die bisher vergleichsweise günstigen Viertel durchschlage. Der Sprecher des Mietervereins forderte einmal mehr, dass die Stadt verstärkt ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen und über ihre Tochter, der DSG, preisgebundenen Wohnraum sichern müsse.

Dass Immobilien und Stadtumbau im Viertel Erwartungen wecken, zeigt die frühere Hoeschverwaltung an der Rheinischen Straße. 2012 erwarb der Schweizer Investor Peach Property Group das stadtbekannte Gebäude. Die in Aussicht gestellten Pläne eines Umbaus mit Wohn- und Gewerbenutzung sollten 2013 starten, realisiert wurden sie nicht. 2016 wurden Umbaupläne zu einem Hotel veröffentlicht, dass laut Zeitungsberichten im Frühjahr 2019 den Betrieb aufnehmen sollte. Noch gehen keine Gäste mit ihren Rollkoffern ein und aus. Doch Ende 2019 erwarb die Novum-Hotel-Gruppe die Immobilie.

Internationale Gartenschau

Am Rand des Viertels sollen Ausläufer der Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2027 bis in das Unionviertel reichen. Vom zentralen Gelände an der Kokerei-Hansa und am Deusenberg in Dortmund-Huckarde soll eine neue grüne Achse mit Fuß- und Radwegen an der Emscher entlang führen. Laut Susanne Linnebach nicht auf Niveau der heutigen Emscherallee, sondern oberhalb der Emscher auf dem HSP-Gelände.

Während es für die IGA-Planung einen engen Zeitplan gibt, war in der Runde die zeitliche Perspektive für die komplette Neuentwicklung der HSP-Fläche schwer einzuschätzen.  Eine Schlüsselrolle habe die Landesregierung, die die Zusammenlegung der FH-Standorte unterstützen und finanzieren müsse. Bis dahin könnten Zwischennutzungen die Fläche beleben und erhaltenswerte Gebäude sichern. Svenja Noltemeyer beklagte, dass die Thelen-Gruppe die Fläche und Gebäude bisher nicht für Zwischennutzungen öffnete, wie es bei vielen ehemaligen Industrieflächen im Ruhrgebiet üblich gewesen war.

Autor: Mirko Kussin, erschienen in: Mieterforum I/2020


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