12. März 2015 (Miet- und Wohnungsrecht, Urteile des BGH)

Neues vom BGH: Lärm und Zutritt zur Mietwohnung

In mehreren Fällen hat sich der Bundesgerichtshof aktuell mit Beeinträchtigungen von Nachbarn durch Lärm auseinandergesetzt, die erhebliche Auswirkungen auf Mietminderungsrechte haben. Ein weiteres Urteil betrifft Zutrittsrechte des Vermieters zur Mietwohnung.

 

Neuer Parkettboden

Ein Rentnerehepaar aus Lübeck erfreute sich jahrelang an seiner Wohnung. Damit war es nach dem Einzug neuer Nachbarn in die darüber liegende Wohnung vorbei. Diese entfernten den vorhandenen Tep--pichboden und ließen einen Parkettboden einbauen. In der Folge fühlten sich die Rentner durch erhöhten Lärm von Laufschritten gestört. Sie verlangten anstelle des Parkettbodens wieder den Einbau eines Teppichbodens oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag.

Das sah der BGH allerdings anders. Nach Auffassung der Karlsruher Richter müssen sich die Rentner mit dem Parkettboden abfinden. Entscheidend ist dabei aus Sicht des BGH folgendes: Wird ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt, kommt es auf den zu beachtenden Schallschutz an. Dieser richtet sich jedoch nicht nach aktuellen Vorschriften, sondern nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Vorschriften. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht zugleich der unter dem Bodenbelag befindliche Estrich oder die Geschossdecke verändert werden. Dagegen ist es aus Sicht des BGH unbeachtlich, dass über Jahre hinweg ein höherer Schallschutz durch den ehemaligen Teppichboden bestand. Für den BGH gibt es keinen „Bestandsschutz“. Es zählt einzig und alleine, dass nach Einbau des Parkettbodens die Grenzwerte des Baujahrs nicht überschritten werden.

Die Entscheidung betraf vordergründig nur Ansprüche von Wohnungseigentümern untereinander. Die obigen Grundsätze lassen sich jedoch eins zu eins ins Mietrecht übertragen. Ansprüche von Mietern bei Lärm aus der Nachbarwohnung auf höheren Lärmschutz oder Mietminderungen werden dadurch zukünftig erschwert. Lärm durch Stöckelschuhe, rauschende Wasserleitungen und andere Lärmquellen sind nur dann angreifbar, wenn Schallschutzvorschriften, die beim Bau der Wohnung galten, nicht eingehalten werden. Dies setzt in der Regel eine Schallschutzmessung und die Kenntnis vom Erbauungsdatum des Gebäudes und den damals geltenden Grenzwerten voraus.

BGH Urteil vom 27. Februar 2015/V ZR 73/14

Bolzplatzlärm

Im zweiten Fall ging es um eine Mietminderung von Mietern, die eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse angemietet hatten. Die Terrasse grenzt an eine Schule. Auch hier ging jahrelang alles gut, dann wurde 20 Meter von der Terrasse entfernt nachträglich ein Bolzplatz auf dem Schulgelände errichtet. Dort dürfen Kinder bis 12 Jahre wochentags bis 18 Uhr spielen. Die Mieter fühlten sich durch den Sportplatzlärm empfindlich gestört. Insbesondere weil auch ältere Jugendliche nach 18 Uhr auf dem Platz spielen. Sie minderten die Miete um 20 %. Dagegen wehrte sich der Vermieter. Der BGH hatte zu entscheiden, ob es sich bei Sportplatzlärm durch Kinder und Jugendliche um einen Mangel der Mietsache handelt (§ 536 Abs. 1 BGB), der die Mieter zur Mietminderung berechtigt. Die Besonderheit lag in diesem Fall darin, dass es sich nicht um Lärm aus einer anderen Wohnung handelte, sondern um Lärm von Außen. Es lag also kein Mangel der Mietwohnung vor. Die Juristen sprechen hier von sogenannten Umweltmängeln.

Da Mietparteien in der Regel nicht vorhersehen können, wie sich Umwelteinflüsse von Nachbargrundstücken im Laufe des Mietverhältnisses verändern, existieren darüber in der Praxis keine mietvertraglichen Vereinbarungen. So auch im entschiedenen Fall. Es gab keine mietvertragliche Zusage, dass sich Lärm- und Umwelteinflüsse im Laufe der Mietzeit nicht zum Nachteil des Mieters verändern dürfen, und damit auch keinen mietvertraglichen Schutz für die betroffene Mieter.

Der BGH griff zur Entscheidung des Falles daher auf die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurück. Dies billigt in der seit 2011 geltenden Form grundsätzlich Kinderlärm. Schon in den vergangenen Jahren hatte Karlsruhe klargestellt, dass es eine hohe Toleranzgrenze für Lärm durch spielende Kinder gibt. Nunmehr ging das Gericht noch über seine bisherigen Entscheidungen hinaus und sah gar ein „Toleranzgebot“ bei Kinderlärm. Dieses „strahlt weit über seinen eigentlichen Anwendungsbereich hinaus“.

Fazit: Auch Kinderlärm von Nachbargrundstücken ist von Mietern hinzu-nehmen und berechtigt nicht zu Mietminderungen. Im vorliegenden Fall gibt es noch eine Chance für die Mieter die Mietminderung zu „retten“, weil auch
ältere Jugendliche „bolzen“. Dies hatte das Ausgangsgericht noch nicht geprüft. Der BGH verwies den Fall deswegen zur endgültigen Entscheidung zurück.

BGH Urteil vom 29. April 2015/VIII ZR 197/14

Fristlose Kündigung bei Zutrittsverweigerung

Das Dach eines Mietobjektes war von gefährlichem Hausschwamm befallen. Es drohte einzufallen. Die Mieter konnten daher nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben und mussten in ein Hotel umziehen, damit Notmaßnahmen durchgeführt werden konnten. Nach Rückkehr in die Mietwohnung einige Monate später, kündigte der Vermieter weitere Maßnahmen zur Schwammbeseitigung an und verlangte Zutritt zur Wohnung. Dies lehnten die Mieter ab. Der Vermieter konnte sich erst durch eine einstweilige Verfügung Zutritt zur Mietwohnung erstreiten und die Arbeiten durchführen. Wegen des verweigerten Zutritts kündigte er allerdings zugleich das Mietverhältnis fristlos. Vier Wochen später verlangte der Vermieter Zutritt zu den Kellerräumen, damit dort Installationsarbeiten stattfinden konnten. Auch dies verweigerten die Mieter. Der Vermieter kündigte ein zweites Mal fristlos.

Die Entscheidung des BGH: Die Mieter hatten sich in den Vorinstanzen erfolgreich darauf berufen, dass bei Ausspruch der Kündigung noch keine gerichtliche Entscheidung darüber vorlag, ob sie den Zutritt zu den zur Mietwohnung gehörenden Räumen dulden müssen. Die Ausgangsgerichte vertraten die Auffassung, dass die Mieter keine vertragliche Pflichtverletzung begehen, die zur Kündigung des Vermieters berechtigt, wenn sie eine gerichtliche Entscheidung abwarten.

Dies sieht der BGH nun anders: Die Richter stellten ausdrücklich klar, dass eine Verletzung von Duldungspflichten nicht erst dann vorliegt, wenn der Mieter eine gerichtliche Entscheidung nicht befolgt. Vielmehr betonten die Richter, dass Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen für die Erhaltung des Mietobjekts und seines wirtschaftlichen Werts von wesentlicher Bedeutung sein können. Entscheidend ist alleine, dass ein Vermieter ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an einer baldigen Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahme hat. In welchen Fällen dafür die Voraussetzungen gegeben sind, stellte der BGH jedoch nicht klar.

Fazit: Die Entscheidung bringt eine erhebliche Rechtsunsicherheit für betroffene Mieter. Sie können jetzt in streitigen Modernisierungs- und Instandsetzungfällen nicht in Ruhe eine gerichtliche Entscheidung abwarten, ohne eine Kündigung des Vermieters und damit den Verlust der Mietwohnung zu riskieren. Vermieter bekommen ein erhebliches Druckmittel, um Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten durchzusetzen. Die Beratung durch den Mieterverein in derartigen Fällen ist dringend geraten! 

BGH Urteil vom 15. April 2015/Az VIII ZR 281/13

Autor: Martin Grebe, erschienen im MieterForum 2/2015


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