15. August 2016 (Miet- und Wohnungsrecht, Urteile des BGH)

BGH: Neues aus Karlsruhe

In diesem Artikel stellen wir aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Mietrecht vor.

Mieterhöhungen und die tatsächliche Wohnfläche

Der Fall

Ein Mieter mietete 1985 eine 5-Zimmer-Wohnung in Berlin an. Die Wohnung wurde später verkauft. Die neue Vermieterin ließ 2013 die Wohnung neu ausmessen. Dabei stellte sich heraus, dass sie rund 43 m² größer war als im Mietvertrag angegeben. Daraufhin verlangte die Vermieterin vom Mieter eine Mieterhöhung. Er stimmte nur teilweise zu und war der Auffassung, es müsse von der vertraglich vereinbarten geringeren Wohnungsgröße ausgegangen werden.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hatte bisher die Auffassung vertreten, dass Wohnflächen-abweichungen nur beachtlich sind, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10% von der im Mietvertrag angegebenen Fläche abweicht. Diese Einschränkung gab das Gericht in der neuen Entscheidung auf. Maßgeblich seien für eine Mieterhöhung nach § 558 BGB
alleine die tatsächlichen Gegebenheiten. Sie bilden den Maßstab für eine berechtigte Mieterhöhung.

Der Umstand, dass die im Mietvertrag vereinbarte Fläche geringer als die tatsächliche war, ist für den BGH ohne Bedeutung. Insbesondere sieht der BGH keine schutzwürdigen Belange verletzt, wenn sich die Mieterhöhung nach der tatsächlichen Wohnfläche richtet. „Der Mieter“, so die Richter, „muss von vornherein damit rechnen, dass [...] eine Anpassung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgt“. Seine Interessen sind durch die gesetzlichen Beschränkungen ausreichend geschützt.

Das Fazit

Im vorliegenden Fall traf es einen Mieter, dessen Wohnfläche bedeutend größer war, als im Mietvertrag ausgewiesen. Wenn es nach neuer Rechtsprechung alleine auf die tatsächliche Wohnfläche ankommt, gilt das natürlich auch für Wohnflächen die kleiner als im Mietvertrag angegeben sind. Das kann für einen Mieter vorteilhaft sein, falls die Miete bereits der ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel entspricht.

BGH Urteil vom 18.11.2015, VIII ZR 266/14

 

Was heißt eigentlich spätestens?

Der Fall

Der verklagte Mieter mietete 1980 eine Wohnung an. Im Mietvertrag wurde vereinbart, dass monatliche Heizkostenvorauszahlungen zu leisten sind. Im Mietvertrag heißt es: „Spätestens zum 30. Juni eines jeden Jahres ist über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen. […] Die Heizperiode läuft vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. April des Folgejahres.“ Am 30.10.2012 erhielt der Mieter eine Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 01.05.2011 bis 30.04.2012 mit einer Nachzahlung von 196,12 Euro. Er verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Abrechnung sei verspätet erfolgt.

Die Entscheidung

Der Vermieter hatte die Abrechnung erst nach der im Mietvertrag vereinbarten Frist erstellt und nicht bis zum 30.06.2012. Da weiter vereinbart war, dass die Abrechnungsperiode bis Ende April läuft, hatte der Vermieter im Ergebnis nur zwei Monate um abzurechnen. Nach dem Gesetz hat ein Vermieter jedoch Zeit bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums die Abrechnung vorzulegen (§ 556 Absatz 3 BGB). Das wäre der 30.04.2013 gewesen.

Der BGH stellte zunächst klar, dass eine mietvertragliche Vereinbarung über eine kürzere als die gesetzliche Abrechnungsfrist zulässig ist. Die gesetzliche Regelung sei eine Höchstfrist. Sie soll den Vermieter nicht daran hindern, früher als ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraums abzurechnen.

Im zweiten Schritt beschäftigten sich die Richter mit der Formulierung „spätestens“, um zu entscheiden, was die Parteien mit dieser Formulierung gemeint und gewollt hatten. Der BGH kam zum Ergebnis, dass die Mietvertragsbestimmung keine Ausschlussfrist sei. Nach dem Wortlaut sollen nur Regelungen über die Abrechnungsfrist getroffen werden, jedoch keine Sanktionen für verspätete Abrechnungen. Für den Mieter bedeutet dies, dass er ab dem mietvertraglich vereinbarten Zeitraum die Vorlage seiner Abrechnung verlangen kann. Dagegen kann er nicht erwarten, dass die Formulierung „spätestens“ eine Ausschlussfrist für den Vermieter darstellt. Wenn der Vermieter sich vertraglich verpflichtet früher abzurechnen, kann er nicht auch noch seinen Anspruch auf die Nachzahlung bei verspäteter Abrechnung verlieren. Der BGH verurteilte den Mieter daher zur Zahlung der Heizkostenabrechnung.

Das Fazit

Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit. Die in vielen älteren Mietverträgen enthaltenen Klauseln sind gültig. Der Mieter kann zum vereinbarten Zeitraum die Abrechnung verlangen. Rechnet der Vermieter nicht ab, bleibt ihm als Druckmittel das Zurückbehaltungsrecht für weitere Vorauszahlungen. Der Vermieter verliert bei verspäteter Abrechnung jedoch nicht seinen Anspruch auf Nachzahlungen.

BGH Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 152/15

 

Energieversorger können Preissteigerungen an Kunden weitergeben

Der Fall

Ein Energieversorger erhöhte die Gaspreise für zwei seiner Kunden. Diese hatten keinen Gaslieferungsvertrag mit dem Versorger abgeschlossen und befanden sich in der sogenannten Grundversorgung. Die Kunden hielten die Preiserhöhung für unwirksam und widersprachen. Sie zahlten lediglich die bisherigen Abschläge weiter, nicht jedoch die Preiserhöhungen. Daraufhin klagte das Versorgungsunternehmen auf Zahlung der Differenz.

Die Entscheidung

Der BGH hatte zunächst den Fall dem
Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser sollte prüfen, ob die Preisänderungsklausel mit europäischem Recht vereinbar sei. Das wurde verneint. Der Fall landete also wieder beim Bundesgerichtshof.

Die Richter am BGH waren an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gebunden und mussten davon ausgehen, dass Preisänderungsbestimmungen in den „Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden“ nicht europäischem Recht entsprechen. Nach Ansicht des BGH führt dieser Verstoß zu einer gesetzlichen Lücke, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden muss. Der BGH ermittelte daher, welche Regelung die Parteien des Gasvertrages getroffen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Preisänderungsbestimmung unwirksam gewesen wäre.

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Parteien vereinbart hätten, dass Energieversorger zumindest Steigerungen seiner eigenen Bezugskosten an seinen Kunden weitergeben darf. Anderenfalls führe es zu einem Ungleichgewicht und zu einem ungerechtfertigten Gewinn für den Kunden. Diesen Verlust können Energieunternehmen nicht ausgleichen, da ein Grundversorgungsvertrag nicht gekündigt werden kann.

Abschließend musste der BGH noch prüfen, ob der Versorger im konkreten Fall nur die gestiegenen Beschaffungskosten an die Kunden weitergegeben hatte. Das wurde bejaht. Darüber hinaus legte der BGH fest, dass ein Gaskunde sich nur dann gegen Preiserhöhungen wenden kann, wenn er innerhalb von drei Jahren widerspricht.

Das Fazit

Für Kunden wird es zukünftig erheblich schwerer gegen Preiserhöhungen vorzugehen oder Rückforderungsansprüche wegen überhöhter Gaspreise geltend zu machen.

BGH Urteile vom 28.10.2015 VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12

 

Autor: Martin Grebe, erschienen im MieterForum Nr. 44 II/2016


© 2010-2024 Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.
Impressum
Datenschutz