4. Februar 2019 (Miet- und Wohnungsrecht, Urteile des BGH)

BGH - Neues aus Karlsruhe

Hier stellen wir aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Mietrecht vor.

Foto: Nikolay Kazakov

Trompetenspiel in der Nachbarwohnung

Der Fall

Gegen das Trompetenspiel eines Berufsmusikers in seinem Reihenhaus hatten die Nachbarn geklagt. Dieser übte im Wohnzimmer des Erdgeschosses und in einem Probenraum im Dachgeschoss bis zu drei Stunden am Tag. Dabei hielt er die Zeiten der Mittagsruhe ein. Zudem unterrichtet er noch an zwei Stunden in der Woche Schüler. Die Nachbarn wollten erreichen, dass die Musik in ihrem Haus nicht mehr zu hören ist.

Die Entscheidung

Musikspielen in der Wohnung sei grundsätzlich erlaubt, entschied der zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs. Es könne nicht generell verboten werden. „Häusliches Musizieren“ einschließlich des Übens gehöre dabei zu den „sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung“ und stelle, so die Bundesrichter, „einen wesentlichen Teil der Lebensfreude und des Gefühllebens“ dar. Es müsse daher in gewissen Grenzen von den Nachbarn hingenommen werden. Auf deren Interesse – sich in ihrer Wohnung entspannen zu können – müsse aber ebenfalls Rücksicht genommen werden. Der BGH hielt deshalb einen Ausgleich beider nachbarlichen Interessen für erforderlich.

Dieser Ausgleich lässt sich jedoch nur durch eine „ausgewogene und angemessene Begrenzung des Musikspielens“ erreichen. Dabei sind übliche Ruhezeiten, also in der Mittags- und der Nachtzeit einzuhalten. Wie lange tagsüber gespielt werden kann, ist im Einzelfall zu entscheiden und richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen der Wohnung. Diese Maßstäbe gelten für Berufs- und Hobbymusiker gleichermaßen. Deswegen wies das Gericht den Fall zur Entscheidung an das Landgericht zurück. Die Richter dort müssen nun konkrete Zeiten festlegen, an denen musiziert werden darf.

Das Fazit

Die Entscheidung der Karlsruher Richter ist sachgerecht, Nachbarn können sich nicht zu Lasten anderer grenzenlos ausleben. Wie schon beim Rauchen auf dem Balkon, können ihnen andernfalls Einschränkungen auferlegt und konkrete zeitliche Vorgaben gemacht werden.

BGH Urteil vom 26.10.2018, V ZR 143/17

Keine Mietminderung für Wärmebrücken trotz Schimmelgefahr bei Altbauten

Der Fall

In diesem Streitfall ging es um Wohnungen, die in den Jahren 1968 und 1971 unter Beachtung der damals geltenden Bauvorschriften und technischen Normen errichtet wurden. Die Außenwände wiesen sogenannte Wärmebrücken auf. Dort besteht eine erhöhte und konkrete Gefahr zur Schimmelbildung. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass mindestens zwei- bis dreimal gelüftet werden müsse, um eine Schimmelbildung zu vermeiden. Die Mieter sahen darin einen Mangel und verlangten eine Mietminderung sowie eine Innendämmung der Außenwände.

Die Entscheidung

Ein tatsächlicher Schimmelbefall lag in den Wohnungen der Mieter nicht vor. Es ging letztlich um vorbeugende Maßnahmen, die der Vermieter durchführen sollte. Ein entscheidender Punkt, denn allein das Vorhandensein von Wärmebrücken stellt noch keinen Mangel der Mietsache dar, so die Karlsruher Richter. Dies gilt immer dann, wenn das Gebäude entsprechend den damals geltenden technischen Vorschriften errichtet worden ist. Zwar entsprachen die Wohnungen nicht mehr heutigen DIN-Normen, Wärmeschutzvorschriften existierten jedoch Ende der 1960er-Jahre noch nicht. Auf aktuelle Bauvorschriften können sich Mieter jedoch nicht nach dem Grundsatz des „zeitgemäßen Wohnens“ berufen. Der Vermieter schuldet, so der BGH, nur den Standard vergleichbarer Wohnungen zum Zeitpunkt ihrer Erbauung. Mieter einer Altbauwohnung können daher keinen zeitgemäßen Mindeststandard verlangen. Allein die Gefahr einer Schimmelbildung berechtigt Mieter nicht, die Miete zu kürzen oder eine zusätzliche Wärmedämmung zu fordern.

Gleichzeitig beschäftigten sich die Karlsruher Richter mit den zumutbaren Lüftungspflichten für Mieter. Nach Ansicht des Gerichts richtet sich dies zwar nach den Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalles, ein zwei- bis dreimaliges Lüften pro Tag ist nach Ansicht des Gerichts aber nicht zu beanstanden.

Das Fazit

Die Entscheidung des BGH ist nicht überraschend, für Mieter allerdings enttäuschend. Im Ergebnis bedeutet es, dass erst tatsächlich Schimmel vorliegen muss, bevor Mieter eine Mängelbeseitigung einfordern können und Mietminderungsrechte haben. Dann sind jedoch in vielen Fällen Streitigkeiten über ein ausreichendes Heiz- und Lüftungsverhalten vorprogrammiert.

BGH Urteile vom 5. Dezember 2018, VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18

Fristlose und gleichzeitig ordentliche Kündigung bei Mietrückstand möglich

Der Fall

Ein Mieter bewohnte seit 2004 eine Einzimmerwohnung in Berlin. 2016 konnte er an zwei aufeinanderfolgenden Monaten die Miete nicht bezahlen. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzuges und zugleich ordentlich wegen Vertragsverletzung. Der Mieter beglich bereits drei Tage nach Erhalt der Kündigung sämtliche Mietrückstände. Trotzdem verklagte ihn der Vermieter auf Räumung.

Die Entscheidung

Bei einer fristlosen Kündigung gilt nach dem Gesetz eine Sonderregelung. Werden die Mietrückstände innerhalb von zwei Monaten nach Klageerhebung bezahlt, wird die fristlose Kündigung unwirksam. Das ist die sogenannte Schonfrist. Die vorliegende fristlose Kündigung war also aufgrund der direkten Zahlung des Mieters „geheilt“. Der Vermieter hatte das Mietverhältnis jedoch zugleich mit einer ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Fehlende oder regelmäßige unpünktliche Mietzahlungen können Vertragsverletzungen darstellen, die zu solch einer ordentlichen Kündigung berechtigen.

Hier ging es um die Frage, ob durch die Zahlung des Mieters auch die ordentliche Kündigung unwirksam geworden war. Dies verneinten nun die Bundesrichter. Das Gesetz sieht keine Regelung vor, dass nach der Begleichung von Mietrückständen neben der fristlosen Kündigung auch die ordentliche Kündigung entfällt. Darin sahen die Karlsruher Richter auch keine „Lücke“ des Gesetzgebers, die eine abweichende Bewertung zulässt. Eine zugleich vom Vermieter ausgesprochene ordentliche Kündigung kann somit nicht „geheilt“ werden und bleibt bestehen.

Das Fazit

Die Entscheidung ist juristisch vertretbar, die Folgen jedoch nicht. Ein Mieter, der sämtliche Rückstände beglichen hat, verliert seine Wohnung trotzdem. Er hat lediglich eine längere Räumungsfrist. Bedauerlicherweise ist – trotz politischer Forderung der Mietervereine – die dringende Gesetzesänderung im ab 2019 geltenden Mietrechtsanpassungsgesetz noch nicht berücksichtigt. 

BGH Urteile vom 19. September 2018, VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17   

Autor: Martin Grebe, erschienen in Mieterforum Nr. 54 IV/2018


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