24. Juni 2019 (Wohnungspolitik, Wohnungsmarkt)

Kielstraße: Bye bye, „Horrorhaus“

Seit 2002 steht das Hochhaus an der Kielstraße in der Dortmunder Nordstadt leer, schon oft wurde sein baldiger Abriss angekündigt. 2019 könnte es nun tatsächlich endlich soweit sein. Aber leer bleiben soll der Platz nicht.

Bild: Roland Gorecki

Ein Blick zurück: 1969 wird das Wohnhochhaus nach fast zweijähriger Bauzeit fertig: 102 Wohnungen, 16, 17 und 18 Etagen, öffentlich gefördert und preisgebunden. 5,50 DM kostet der Quadratmeter, Eigentümerin ist die VEBA-Tochter Westfälische Wohnstätten, ein früher gemeinnütziges Wohnungsunternehmen des Werkswohnungsbau im Ruhrgebiet. Schräg gegenüber steht ein Zwilling, gebaut von Dogewo und bis heute Eigentum des städtischen Wohnungsunternehmens.

Im Oktober 1992 dann die Schlagzeile in der Westfälischen Rundschau: „Wohnturm an Kielstraße wird verkauft“, mitten in der Wohnungskrise der frühen 1990er-Jahre, als allein in Dortmund 6.000 Menschen als wohnungssuchend gemeldet waren. „Dadurch drohen […] die Mieter von 102 Wohnungen zum Spielball von Spekulanten zu werden“, war damals in der Lokalzeitung zu lesen, der Mieterverein warnte vor einem „regelrechten Absturz“ und appellierte an die VEBA, den Verkauf zu überdenken.

Was dann kommt, kann man wohl getrost als Spekulation wie aus dem Lehrbuch bezeichnen. 1993 kaufte ein Ehepaar das Hochhaus, zahlte die öffentlichen Fördermittel zurück, und verkaufte es innerhalb weniger Wochen weiter, an die Burbaum, Bieg & Nikolov GbR aus Heilbronn. Da die Einzelteile immer mehr bringen als das Ganze, werden die 102 Wohnungen nun einzeln auf den Markt geworfen. Inklusive Mietern und laufender Sozialbindung. 

Die Wohnungen kosteten viel mehr als sie wert waren. Doch über den Wunsch nach dem großen Geld fielen Investitionen hinten über und Reparaturen einfach aus. Das Haus geriet zunehmend in Schieflage, Eigentümer zahlten die Kredite, die Energieabschläge und die Grundsteuern nicht mehr. Immer mehr Menschen zogen aus. 2001 stieg die Hausverwaltung aus, 2002 stoppte DEW21 die Energielieferungen. Im November räumte die Stadt das Haus. Seitdem ist es ein Symbol für die Folgen überhitzter Spekulation.

2006 wurde der Abriss beschlossen – doch dafür mussten erst die 44 Eigentümer gefunden, Besitzverhältnisse mit Schuldnern und Gläubigern geklärt und Wohnung um Wohnung zurückgekauft werden. Mehr als zehn Jahre hat das gedauert. Jetzt fehlt nur noch eine – ist das geschafft, könnte der Abriss noch in diesem Herbst beginnen. Auch die Nachbarhäuser der Kielstraße 24 und 28 will die Stadt kaufen.

Und dann? Nach dem Abriss soll das Gelände öffentlich genutzt werden – angedacht ist zum Beispiel eine Kindertagesstätte. Von denen gibt es in der Nordstadt nach wie vor zu wenige. Das Jahr, in dem das „Horrorhaus“ 50 wird, könnte also sein letztes sein. Dann verschwindet ein Haus, das 17 Jahre lang als Mahnmal stand, das aber für viele Menschen einmal Zuhause war.

Hinweis:  Kielstraße 26 – Erstes Etappenziel erreicht, alle Wohnungen angekauft (pdf) // Pressemitteilung der Stadt Dortmund vom 25.06.2019

Autorin: Alexandra Gehrhardt, erschienen in Mieterforum Nr. 56 II/2019


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