16. Februar 2018 (Miet- und Wohnungsrecht, Urteile des BGH)

Neues aus Karlsruhe

Hier stellen wir aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Mietrecht vor.

Foto von Nikolay Kazakov

 

Kinderlärm muss nicht grenzenlos 
geduldet werden

Der Fall

Eine Mieterin bewohnte eine Altbauwohnung aus dem Jahre 1900 in Berlin. Acht Jahre nach ihrem Einzug zog eine Familie mit zwei Kleinkindern in der Wohnung über ihr ein. Nach dem Einzug der Familie kam es fast täglich zu erheblichen Lärmstörungen. Diese begannen früh morgens ab 6.00 Uhr und zogen sich über den Tag hin. Es gab auch keine Ausnahmen an Sonn- und Feiertagen. Die Mieterin beklagte sich über heftiges Stampfen, Springen, Poltern. Daneben monierte sie, dass der Vater die Kinder anschrie und es auch sonst zu lautstarken und aggressiven familiären Auseinandersetzungen kam. Der Lärm war nach Angabe der Mieterin so laut, dass er auch noch unter Verwendung von Ohrstöpseln hör- und spürbar war. In der Küche sprangen die Töpfe und durch die einhergehenden Erschütterungen wackelten die Regale und Türangeln. Selbst ohne Hörgerät war der Lärm trotz Schwerhörigkeit zu hören. Da die Mieterin eine Mietminderung geltend gemacht hatte und ein Abstellen des Lärms vom Vermieter forderte, landete der Fall vor Gericht.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof nahm den Fall zum Anlass, seine bisherige Rechtsprechung zu Kinderlärm zu präzisieren. Danach müssen Mieter mit Kindern darauf achten, dass ihre Sprösslinge beim Spielen auf das Ruhebedürfnis von Nachbarn Rücksicht nehmen. Sie sind also zu einem rücksichtsvollen Verhalten anzuhalten. Auf der anderen Seite muss berücksichtigt werden, dass Kinder dazu neigen, in der Wohnung herumzurennen und dies zur normalen Fortbewegung gehört. Ein derartiger Bewegungsdrang ist als Schritt der natürlichen Entwicklung der Kinder hinzunehmen. 


Insoweit stellt üblicher Kinderlärm nicht automatisch einen Mietmangel dar. Allerdings zogen die Richter des Bundesgerichtshofs nunmehr Grenzen für die Toleranz von Kinderlärm ein. Diese richten sich nach Art, Qualität, Dauer und Zeit des verursachten Lärms, sowie nach dem Alter und dem Gesundheitszustand des Kindes und der Vermeidbarkeit des Kinderlärms. Insoweit kamen die Richter im vorliegenden Fall aufgrund des Lärmprotokolls der gestörten Mieterin zum Ergebnis, dass hier der Kinderlärm nicht mehr als Ausdruck „eines natürlichen Bewegungsdrangs von Kindern, der darauf abzielt, durch ihre natürlich angelegten ständigen Wiederholungen die Voraussetzungen zu einer differenzierten Bewegungsfähigkeit zu schaffen“, angesehen werden kann. Die Häufigkeit des Kinderlärms entsprach aufgrund der Eintragungen in den Lärmprotokollen nicht mehr einer normalen Wohnnutzung. Das Schreien und Brüllen des Vaters, mit dem er die lauten Kinder zur Ruhe bringen wollte, hat, so der Bundesgerichtshof, nur wenig mit dem gemein, was noch mit einer im üblichen Rahmen liegenden erzieherischen Einwirkung verstanden werden kann. Da sich das Landgericht mit den Kriterien des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend beschäftigt hatte, wies der Bundesgerichtshof den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück. 

Das Fazit

Die Messlatte von sich gestört fühlenden Mietern, die sich erfolgreich gegen Kinderlärm wehren wollen, ist weiterhin auch nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs hoch. Allerdings ist nunmehr auch höchstrichterlich klargestellt, dass Kinderlärm nicht grenzenlos zu dulden ist, insbesondere, wenn er durch Art, Intensität, Dauer und Häufigkeit über das normale Maß weit hinausgeht. Mieter brauchen diesbezüglich kein Lärmprotokoll zu führen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter reicht es aus, dass ausreichend beschrieben wird, welche Art von Beeinträchtigungen es gibt und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden allerdings schriftliche Notizen über den Kinderlärm weiterhin nicht entbehrlich sein. 
BGH Urteil vom 22.08.2017, 
VIII ZR 226/16.

Keine überhöhten Anforderungen 
an Betriebskostenabrechnungen

Der Fall

Ein Vermieter erstellte eine siebenseitige Betriebskostenabrechnung. Darin waren 15 Betriebskostenarten aufgelistet. 
Diese wurden dann anschließend zusammengefasst in vier Positionen, die der Vermieter mit A – D beschrieb. Auf den Folgeseiten tauchten dann diese Nebenkostenrubriken unter einer anderen Bezeichnung, nämlich mit den Gliederungsbezeichnungen 1 – 4 auf. Der betroffene Mieter berief sich hier auf eine sogenannte formale Unwirksamkeit der Abrechnung und verweigerte die Nachzahlung.

Die Entscheidung

Vorliegend kam es darauf an, ob es sich hier um einen sogenannten formalen Mangel der Betriebskostenabrechnung handelte. Dann müsste der Mieter die Nachzahlung nicht mehr leisten, weil der Vermieter die Abrechnung nicht innerhalb eines Jahres ab Ende des Abrechnungszeitraums erläutert hatte. Der Bundesgerichtshof verneinte dies nunmehr. Nach seiner Auffassung muss ein Vermieter bei der Erstellung einer Betriebskostenabrechnung nur Mindestanforderungen stellen. So ist eine Betriebskostenabrechnung bereits dann ordnungsgemäß, wenn sie eine geordnete Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben enthält. Dabei sind, so der Bundesgerichtshof, keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reichen folgende Mindestangaben: Die Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe des zugrunde gelegten Verteilerschlüssels, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der geleisteten Vorauszahlungen. Mit diesen Mindestangaben, so der Bundesgerichtshof, ist der Mieter in der Lage, den auf ihn entfallenden Betriebskostenanteil gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen, ohne, dass er beim Vermieter die Rechnungen für die einzelnen Betriebskosten einsehen muss. Dabei, so die Karlsruher Richter, sind keine zu hohen Anforderungen an die Abrechnung zu stellen. Dem Mieter ist zuzumuten, in der Abrechnung zurückzublättern oder die auf mehreren Seiten enthaltenen Angaben zu einzelnen Betriebskostenarten, wie hier, gedanklich zusammenzuführen. Entscheidend ist allein, ob die Angaben in der Betriebskostenabrechnung es dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und seinen Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Diese Anforderungen sah der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall als erfüllt an.

Das Fazit

Der Bundesgerichtshof bestätigt hier seine seit 1 ½ Jahren bestehende Tendenz, die Anforderungen für Vermieter bei Erläuterungen von Abrechnungen abzusenken. Dies gilt selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Abrechnung erstellt wird, die unnötigerweise völlig unübersichtlich erstellt wird. Es bleiben somit nur wenige Fälle denkbar, in denen sich Mieter auf formale Mängel einer Betriebskostenabrechnung berufen können. (mag)BGH Urteil vom 19.07.2017, VIII ZR 3/17.  

Martin Grebe, erschienen in Mieterforum Nr. 50 IV/2017


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