3. September 2018 (Wohnungspolitik)

Nachverdichtung - Transparenz und Beteiligung gefordert

Im Spätsommer des vergangenen Jahres berichteten wir im Mieterforum 49 über Nachverdichtungsvorhaben durch das Wohnungsunternehmen Vonovia. Eigentlich ein gutes Zeichen für den angespannten Wohnungsmarkt, doch in Hombruch und im Kreuzviertel sollen bisher als Gärten und Grünflächen genutzte Innenhöfe bebaut werden. Auch in Scharnhorst zieht Vivawest in der MSA-Siedlung auf einer Freifläche zwischen zwei Gebäuden einen Neubau hoch. Das sorgt für Frust.

Foto von Alexandra Gerhardt

Langjährige Mieterinnen und Mieter fühlen sich überrumpelt und sehen die Qualität ihrer Wohnumgebung gefährdet. Politik und Verwaltung müssen eine Gratwanderung absolvieren: Auf der einen Seite den dringend benötigten neuen Wohnraum zu schaffen, auf der anderen Seite die Interessen der dort wohnenden Mieter zu schützen. Keine einfache Aufgabe.

Nicht zuletzt aufgrund der kritischen Berichterstattung zu den Nachverdichtungsprojekten stellten die Verantwortlichen aufseiten der Stadt fest, dass die Bebauung von Innenhöfen und Freiflächen nicht hinter den verschlossenen Türen großer Wohnungsunternehmen und ohne Beteiligung von Mieterinnen und Mietern geplant werden kann. Anfang des Jahres fand deshalb unter großem öffentlichen Interesse eine Diskussionsveranstaltung im Rathaus zum Thema „Neuer Wohnraum im Bestand“ statt, bei der Vertreter von Stadt, Wohnungswirtschaft und Mieterverein die aktuellen Probleme analysierten und neue Perspektiven erarbeiteten.

Auslegungsspielräume nutzen

Insbesondere bei Nachverdichtungsmaßnahmen nach §34 BauBG, kommt es bisher immer wieder zu Problemen mit den Anwohnern der Bestandsgebäude. Nach diesem Paragrafen können „klassische“ Baulücken und Freiflächen wie Innenhöfe ohne viel Papierkram bebaut werden, wenn sich das Bauvorhaben „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn-und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ Das klingt vage, gibt der Stadtverwaltung aber auch Ermessens- und Auslegungsspielräume, sodass ein Investor nicht einfach machen kann, was er will. Ein Bebauungsplanverfahren, die darin vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung und Beschlussfassung durch die politischen Gremien sind jedoch nicht erforderlich. Ein durch die städtische Bauordnung zu prüfender Bauantrag reicht aus.

Dass Transparenz und Kommunikation sehr wichtig sind, bemerkte auch Ludger Wiesemann, Bereichsleiter Vivawest, die aktuell eine Nachverdichtungsmaßnahme in Scharnhorst umsetzen: „Wir lernen beim Thema Nachverdichtung aktuell dazu. An erster Stelle steht die Kommunikation mit unseren Mietern, auch wenn es keinen Königsweg zum richtigen Zeitpunkt für Informationen gibt.“ Dass diese Kommunikation allerdings nicht reibungslos funktioniert, konnte man Mitte Juni einem Artikel in den Ruhr Nachrichten entnehmen, in dem die Anwohner bemängelten, dass sie viel spät und unzureichend über das Bauvorhaben informiert wurden.

Neuer Verfahrensablauf

Walter Nickisch, Fachbereichsleiter beim Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, stellte einen Verfahrensablauf vor, der bei zukünftigen Nachverdichtungsprojekten Anwendung finden soll. Dieser Ablauf sieht vor, dass der Investor ein aussagekräftiges Planungskonzept bei der zuständigen Behörde, also dem Stadtplanungsamt, vorstellt. Unter Einbindung der politischen Vertretung wird das Nachverdichtungsvorhaben dann auf die Erfüllung gewisser Kriterien geprüft. Das sind zum Beispiel die städtebauliche Situation, die Auswirkungen auf Umwelt und Klima, die Verkehrsanbindung und -abwicklung sowie die Aufenthaltsqualität für unterschiedliche Gruppen. Erst nach einem positiven Beratungsverlauf werden die betroffenen Mieter und Nachbarn im Rahmen von Infoveranstaltungen und Postwurfsendungen umfassend über das Projekt informiert. Außerdem wird ein konkreter Ansprechpartner für Rückfragen benannt.

Für Tobias Scholz vom Mieterverein, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, die Verantwortung liege nun bei der Wohnungswirtschaft: „Eine reine Infoveranstaltung, auf der den Mieterinnen und Mietern geschaffene Tatsachen vorgestellt werden, kann Konflikte nicht lösen und selten Möglichkeiten für einen Interessensausgleich aufzeigen. Es braucht im Vorfeld ein Beteiligungsformat. Die Mieter vor Ort sind die besten Experten für das Quartier. Sie sollten schon vor der Planung in den Prozess eingebunden werden. Außerdem fehlen in den Prüfkriterien einige Faktoren, die für die Mieter sehr wichtig sind, wie etwa die Verschattung durch den Neubau oder die Aufenthaltsqualität auf Balkonen, wenn in einigen Metern Entfernung ein Haus hochgezogen wird.“

Beim Nachverdichtungsprojekt im Kreuzviertel kam es aufgrund des Drucks der Anwohnerinitiative zu einer Diskussionsveranstaltung, auf der neben Vonovia-Vertretern auch Mitarbeiter des Planungsamtes anwesend waren. „Das war eine offene Gesprächsrunde, in der unsere Einwände berücksichtig wurden“, sagt ein Vertreter der Mieterinitiative. „Vonovia zog die ursprüngliche Planung zurück und erarbeitet gerade eine neue Alterna­tive. Auch die Stadt Dortmund hatte die ursprüngliche Planung abgelehnt. Wir sind froh, dass wir mit unserer Petition
erfolgreich waren.“

Keine grüne Oase in Hombruch

Weniger Glück hatten die Vonovia-Mieter in Hombruch an der Harkortstraße. Während die Bezirksvertreter das Projekt ablehnten, beschloss der Rat der Stadt das Genehmigungsverfahren. Entsprechend groß ist die Enttäuschung der Mieterinitiative: „Wir haben es mit unserer Unterschriftenaktion versucht, aber es hat nicht gereicht“, heißt es aus dem Kreis der Initiative. Passiert ist bisher noch nichts. Kein Bagger, keine Bauarbeiter weit und breit. Die Gärten, deren Nutzung von Vonovia schon längst untersagt wurde, liegen diesen Sommer brach. Die „grüne Oase“ der Anwohner, mit dem alten Baumbestand, wächst ein letztes Mal ungestutzt. Bald steht dort ein Komplex mit 35 Wohneinheiten. „Dann sehen wir hier nur noch Beton“, sagt eine Anwohnerin.

Autor: Mirko Kussin, erschienen in Mieterforum Nr. 52 II/2018


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