8. Januar 2019 (Wohnungspolitik)

Wohnungsmarkt Dortmund - Es bleibt viel zu tun

Auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt wird es immer enger. Leistungsbezieher und Menschen mit geringem Einkommen spüren die Folgen der Wohnungsnot am deutlichsten. Wer arm ist, muss den Wohnraum nehmen, den der Markt im unteren Preissegment anbietet. Egal wo. Egal in welchem Zustand. Und bei wem das Geld noch so gerade reicht, der läuft Gefahr, durch steigende Mieten und Nebenkosten ebenfalls in die Armut zu rutschen. Anfang Oktober traf sich das Netzwerk „arm in Arm“ in der Dortmunder Nordstadt zu einer Diskussionsrunde, um Probleme aufzuzeigen und Handlungsansätze zu erarbeiten.

Foto: Mirko Kussin

Das Netzwerk „arm in Arm“ ist ein Zusammenschluss zahlreicher unterschiedlicher sozialer Akteure, die mit den Folgen von Armut täglich zu tun haben. Ihm gehören unter anderem AWO und Caritas, Diakonie, der Paritätische, das Arbeitslosenzentrum, das Deutsche Rote Kreuz, der DGB, Kirchen, Organisationen der Wohnungslosenhilfe und der Mieter­verein Dortmund und Umgebung an. Zur Diskussionsrunde am 10. Oktober im Wichernhaus waren neben verschiedenen Vertretern des Netzwerkes auch der Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen Ludger Wilde sowie Thomas Böhm, Amtsleiter für Wohnen und Stadterneuerung anwesend. Sie informierten die Teilnehmer über den Stand des kommunalen Wohnungsbaus sowie den aktuellen Wohnungsmarktbericht.

DGB-Stadtverbandschefin Jutta Reiter leitete den Abend ein und führte durch die Veranstaltung. Einigkeit herrschte bei allen Beteiligten über die Tatsache, dass etwas getan werden muss. Sogar die Stadtvertreter räumten ein, dass die aktuelle Situation alles andere als ideal sei. Bei möglichen Lösungsansätzen und deren Umfang wurden die Unterschiede zwischen der Verwaltung und dem Netzwerk jedoch deutlich.

Der Markt

Im ersten Beitrag des Abends stellte Thomas Böhm den aktuellen Wohnungsmarktbericht 2018 für Dortmund vor: 316.000 Haushalte, Tendenz steigend, eine Leerstandquote von 1,8%, rund 1.500 fertiggestellte Neubauwohnungen, 1.600 weitere bewilligt. Immerhin sei die Talfahrt des geförderten Wohnungsbaus gebremst, stellte Böhm fest, jedoch sei auf dem Markt immer noch viel zu wenig Bewegung. Angespannt sei die Lage im unteren und inzwischen auch in Teilen des mittleren Preissegments. „Was ich mir wünschen würde, wäre eine Leerstandquote von 3% aufwärts.“ Ein weiteres Problem sah der Amtsleiter in den steigenden Baukosten. Seit dem Jahr 2000 seien die Preise um 60% gestiegen. Ein Ende dieser Preisspirale nicht in Sicht. „Wenn wir heute ein Projekt fördern und der Baubeginn ist erst in zwei Jahren, dann sind die Preise bereits wieder um 6-7% gestiegen.“

Die Probleme

Die Folgen eines angespannten Wohnungsmarktes nahmen Tobias Scholz und Martin Grebe vom Mieterverein unter die Lupe: Hohe Mieten und Nebenkosten steigern das Armutsrisiko – selbst für Menschen in Vollzeitbeschäftigung. Noch schlimmer stellt sich die Situation für Leistungsempfänger dar, da immer weniger Menschen einen im Rahmen der KDU (Kosten der Unterkunft) angemessenen Wohnraum finden. „Was am Markt zu finden ist, ist nicht die Creme de la Creme, das ist in zahlreichen Fällen die Resterampe“, verdeutlichte Rechtsberater Martin Grebe. Das führe dazu, dass Angemessenheitsgrenzen immer häufiger überschritten würden und die Differenz aus dem Regelsatz der Leistungsempfänger bezahlt würde. Scholz begrüßte die nach 2017 in 2018 wiederholte Anpassung der KDU-Angemessenheitsgrenzen durch die Stadt Dortmund. Handlungsbedarf bestehe bei energetischen Modernisierungen: „Es braucht einen Zuschlag bei energetischen Modernisierungen, die Energiekosteneinsparungen liegen häufig nur bei 5 bis 20% der Mieterhöhungen.“

Die Leidtragenden

Die angespannte Lage am Wohnungsmarkt trifft zuallererst jene, die es sowieso schon schwer haben: Alleinerziehende, Senioren mit niedriger Rente, kinderreiche Familien, Leistungsbezieher, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit negativen Schufa-Einträgen, Menschen, die bereits wohnungslos sind. Über die alltägliche Not all jener berichteten Elfi Herweg vom „Wendepunkt“ im Frauenzentrum Huckarde, Marco Krieg von der Mieter Initiative Dortmund (MID) sowie Reinhard Stobbe-Somberg von der Zentralen Beratungsstelle für wohnungslose Menschen (ZBS). Sie verdeutlichten an Beispielen, wie diese Personengruppen immer wieder stigmatisiert und zunehmend abgewiesen werden. So wäre auf Mietbescheinigungen sofort ersichtlich, dass sie vom Jobcenter kämen, bemerkte Elfi Herweg. „Hier muss Abhilfe geschaffen werden!“ Marco Krieg beklagte zusätzlich, dass einige Immobilienunternehmen noch immer schlecht ausgestattete Wohnungen mit erheblichem Instandhaltungsstau an Transferleistungsbezieher vermieten würden. Den Investoren sei der einzelne Mieter letztendlich egal.

Die Lösungsansätze

Thomas Bohne von der ZBS forderte ein Umdenken bei den durch Wohnungslosigkeit verursachten Kosten. Bislang fehle es an Statistiken und Zahlen, niemand könne sagen, wie hoch die Gesamtkosten seien, die durch Wohnungslosigkeit entstünden. Am Beispiel von München verdeutlichte er, dass es günstiger sei, durch Investitionen Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, als wohnungslose Menschen zu unterstützen. Tobias Scholz stellte Forderungen des Mietervereins vor und forderte einen Ausbau des geförderten kommunalen Wohnungsbaus: „Allein auf die hohe Bautätigkeit am freien Markt zu setzen und zu hoffen, dass damit alles gut wird, reicht nicht. Die gewünschten Sickereffekte greifen nicht.“ 250 bis 500 geförderte Wohnungen pro Jahr durch DOGEWO 21 oder die Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft seien das Ziel Aber auch Wohnungsgenossenschaften und Wohnprojektinitiativen müssten gefördert und unterstützt werden. Der Liegenschaftspolitik der Stadt Dortmund komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Über Konzeptverfahren könne die Stadt hier Einfluss nehmen.

Statt eines Ausverkaufs städtischer Grundstücke müsse zudem über die Vergabe von Erbbaurechten diskutiert werden. Ein weiterer Appell ging schließlich an die Landes- und Bundespolitik: Die Bindungen für geförderte Wohnungen von 20-25 Jahren seien viel zu kurz. Es brauche Konzepte für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit mit dauerhaften Bindungen.

Es bleibt viel zu tun! Netzwerke wie „arm in Arm“ sind wichtig, weil sie sich für weitergehende Lösungsansätze als von der Stadt Dortmund bisher vorgesehen einsetzen. Als Fürsprecher des kommunalen Wohnungsbaus bohrt das Netzwerk dicke Bretter und fordert ein Umdenken - weg vom Grundstücksverkauf, hin zu Erbbaurechten. 

Autor: Mirko Kussin, erschienen in Mieterforum Nr. 54 IV/2018


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