Hier stellen wir aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Mietrecht vor.
In gleich zwei Fällen beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit dem Verhältnis von Eigenbedarfskündigungen zu Härtegründen von Mietern. Im ersten Fall hatte eine junge Familie einer 80-jährigen Mieterin gekündigt. Die Mieterin wohnte dort seit 45 Jahren und litt an fortschreitender Demenz. Ein vorgelegtes Attest bescheinigte die Diagnose. Ein Umzug würde zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen.
Im zweiten Fall ging es um zwei Mieter einer Doppelhaushälfte in Sachsen-Anhalt. Hier hatte ein Gericht entschieden, dass für die Mieter trotz verschiedener Krankheiten, insbesondere Schizophrenie, Inkontinenz und Demenz, ein Umzug zumutbar wäre. Der Vermieter hatte zuvor mit der Begründung gekündigt, seine ehemalige Ehefrau benötige die Wohnung, um die in der Nähe lebende Großmutter pflegen zu können.
In beiden Entscheidungen ging es darum, welche Anforderungen an die Geltendmachung von Härtegründen zu stellen sind. Nach dem Gesetz stellen Härtegründe ein Gegengewicht zur Kündigungsbefugnis des Vermieters, hier wegen Eigenbedarfs, dar. Der Mieter kann sich bei einer berechtigten Eigenbedarfskündigung darauf berufen, dass die Räumung der Wohnung eine unzumutbare Härte für ihn bedeutet. Die Gerichte müssen dann abwägen, welches Interesse schwerer wiegt: das Vermieterinteresse an der Nutzung der Wohnung oder das Interesse des gekündigten Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Die wichtigsten Härtegründe sind: lange Wohndauer, Verwurzelung in der Wohngegend, die Unmöglichkeit, eine Ersatzwohnung zu finden, aber auch fortschreitendes Alter und Krankheiten des Mieters.
Die Karlsruher Richter entschieden jetzt: Ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, ab dem der Härtegrund des Mieters überwiegt, gibt es nicht. Der BGH begründet dies damit, dass sich Alter und lange Mietdauer je nach Persönlichkeit und körperlicher Verfassung des Mieters unterschiedlich stark auswirken können. Ohne weitere Feststellungen im Einzelfall kann nicht von einem Härtefall im Sinne des Gesetzes ausgegangen werden. Der gekündigte Mieter muss daher zunächst seine Krankheitsgründe und die ihm drohenden schwerwiegenden Gesundheitsgefahren bei einem Umzug geltend machen. Dies wird er regelmäßig durch ein ärztliches Attest belegen müssen. Das Attest alleine reicht nach den neueren Entscheidungen des BGH aber nicht aus. Vielmehr muss nunmehr in einem Räumungsprozess das Gericht von sich aus ein Sachverständigengutachten einholen. Darin wird geklärt, an welchen Erkrankungen der betroffene Mieter konkret leidet und wie sich die Erkrankung auf seine körperliche und physische Verfassung auswirkt. Das Sachverständigengutachten soll zudem klären, ob sich Umzugsfolgen durch Unterstützungsleistungen oder ärztliche Behandlungsmaßnahmen mindern lassen.
Da die Gerichte in beiden Fällen kein Sachverständigengutachten eingeholt hatten, hob der BGH die Urteile auf. Beide Vorinstanzen müssen nun erneut über die Fälle verhandeln.
Anforderungen an die Geltendmachung von Härtegründen für Mieter werden durch die beiden Entscheidungen erhöht. Allein die Geltendmachung eines höheren Alters oder schwerwiegender Erkrankungen wie Demenz reichen nicht mehr aus. Dies schafft eine erhebliche Unsicherheit für die betroffenen Mieter. Letztendlich kann erst in einem Räumungsprozess geklärt werden, ob konkrete negative gesundheitliche Folgen bei einem Umzug bestehen.
BGH-Urteile vom 22.05.2019,
VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17.
Eine Familie, die eine Dachgeschosswohnung angemietet hatte, minderte seit 1998 die Miete. Dabei wurden diverse Mängel wie Risse, verrottete Fenster, Heizgeräusche und Fäkaliengeruch geltend gemacht. Deswegen kam es zu Prozessen mit dem Vermieter. Nachdem dieser das Haus verkauft hatte, minderten die Mieter auch gegenüber dem neuen Eigentümer ihre Mietzahlungen. Neben der Mietminderung hielten sie auch einen Teil der Miete zurück, um zusätzlichen Druck zur Mängelbeseitigung auszuüben. Eine Beseitigung der Mängel durch den neuen Vermieter verweigerten die Mieter. Sie beriefen sich darauf, dass die Mängel erst nach dem Prozess mit dem alten Eigentümer beseitigt werden könnten. Ansonsten würden von ihnen benötigte Beweismittel vernichtet.
Da die Mieter auch weiterhin die Miete minderten, kündigte der neue Vermieter ihnen wegen Zahlungsverzugs fristlos.
Der BGH entschied, dass die Kündigung berechtigt sei. Nach seiner Auffassung hat ein Mieter grundsätzlich die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Handwerker zu dulden. Lehnt er, wie hier, eine Mängelbeseitigung ab und verweigert er dem Vermieter den Zugang zur Mietwohnung, so stehen ihm keine Mietminderungsrechte zu. Grundsätzlich kann der Mieter dann ab dem Zeitpunkt der Verweigerung die Miete nicht mehr mindern. Die Karlsruher Richter betrachteten es als treuwidrig, wenn der Mieter einerseits durch die Mietminderung Druck auf den Vermieter ausüben will, auf der anderen Seite aber dem Vermieter die Erfüllung seiner Mängelbeseitigungspflichten nicht ermöglicht. Aus diesem Grunde urteilten die Richter auch, dass die Beträge, die zuvor neben der Mietminderung zurückbehalten worden waren, dann sofort nachzuzahlen sind. Ein Einbehalt ist dann ab dem Zeitpunkt der Verweigerung nicht mehr zulässig. Die zuvor geminderte Miete war jedoch nicht zurückzuzahlen.
Mieter, die die Miete mindern und ggf. daneben einen Teil der Miete zurückbehalten, um Druck auf den Vermieter auszuüben, müssen reagieren, wenn dieser eine Mängelbeseitigung anbietet. Besichtigungs- oder Handwerkertermine dürfen dann nicht grundlos abgelehnt werden. Andernfalls drohen dem Mieter, dass er sämtliche Mietminderungs- und Zurückbehaltungsrechte verliert.
BGH-Urteil vom 10.04.2019,
VIII ZR 12/18.
Autor: Martin Grebe, erschienen in Mieterforum Nr. 56 II/2019
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