22. November 2021 (Urteile des BGH, Miet- und Wohnungsrecht)

Neues aus Karlsruhe - Kein grenzenloser Kinderlärm

Eine Wohnung in Köln wurde zunächst von zwei Erwachsenen bewohnt. Ende 2016 kam noch die Lebensgefährtin eines der beiden Mieter mit zwei Kindern hinzu. Seitdem kam es zu Beschwerden von Nachbarn wegen Lärm. Die Vermieterin mahnte zunächst die Ruhestörungen ab. Da sich nichts änderte, kündigte sie schließlich das Mietverhältnis fristlos. In der Folge kam es zu einem Räumungsrechtsstreit, der nun beim Bundesgerichtshof endete.

Foto: Nikolay Kazakov

Die Entscheidung

Die Kündigung war unter anderem auf zwei „Ruhestörungen“ gestützt worden. So war am 02.09.2017 in der Zeit von 20:30 Uhr bis nach Mitternacht aus der Mieterwohnung erheblicher Lärm aus „lautem Schreien, Stampfen, Türen schlagen und Poltern“ beanstandet worden. Dies konnten auch zwei Nachbarinnen bezeugen. Eine weitere Lärmstörung erfolgte am nächsten Tag während der Zeit der Mittagsruhe gegen 13:00 Uhr. Es kam dabei zu einer heftigen Auseinandersetzung mit einem Nachbarn.

Die Vermieterin hatte im Räumungsprozess ein Lärmprotokoll der Nachbarn vorgelegt, indem die Vorfälle protokolliert waren. Dem Landgericht reichte das nicht. Es hatte darauf verwiesen, dass dort zwar konkrete Ruhestörungen genannt worden wären, aus dem Protokoll sei allerdings nicht ersichtlich, ob es sich um Lärm der in der Wohnung lebenden Erwachsenen gehandelt habe oder um Kinderlärm. Im Falle von Kinderlärm habe es sich aber um ein nicht zu vermeidendes lautes Trampeln gehandelt, das hinzunehmen wäre. Deswegen hatte das Landgericht die Räumungsklage abgewiesen.

Diese Argumentation ließen die Karlsruher Richter nicht gelten. Sie stellten zunächst klar, dass wegen erheblichen Lärms ein Mietverhältnis grundsätzlich außerordentlich fristlos gekündigt werden kann. Dies liegt dann vor, wenn Mieter sich so verhalten, dass die Nachbarn mehr als unvermeidlich gestört werden. Im Prozess muss der Vermieter Angaben zur Intensität, Häufigkeit und Dauer der behaupteten Lärmstörungen machen. An den entsprechenden Vortrag dürfen dabei keine zu hohen Anforderungen gemacht werden. So besteht beispielsweise keine Verpflichtung anzugeben, was genau in einer Mietwohnung passiert ist, weil dies ein Vermieter aufgrund des nicht vorhandenen Einblicks in die Wohnung gar nicht detailliert vortragen kann, so die Richter.

Es reicht, wenn ausreichende Angaben nach Zeitpunkt, Art, Intensität, Dauer und Häufigkeit der Lärmbeeinträchtigungen vorgetragen werden. Mit diesen Angaben kann ein Gericht, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Zeugen, beurteilen, ob eine nachhaltige Störung des Hausfriedens durch Lärm vorliegt.

Auch hinsichtlich des Kinderlärms legten die Richter Grenzen fest. Zwar betonte das Gericht nochmals, dass Kinderlärm grundsätzlich hinzunehmen ist. Dieser Lärm muss aber „einem altersgerechten üblichen Verhalten“ des Kindes entsprechen. Die zu fordernde Toleranz von Nachbarn gegenüber Kinderlärm hat nach der Entscheidung des BGH allerdings Grenzen, die jeweils im Einzelfall zu bestimmen sind. Auf der einen Seite sind Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen zu berücksichtigen, auf der anderen Seite das Alter der Lärm erzeugenden Kinder sowie deren Gesundheitszustand. Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit der Lärm durch „objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen“ zu unterbinden ist.

Fazit

Der BGH legt mit seiner Entscheidung Spielregeln für lärmbedingte Kündigungen fest. Gleichzeitig stellt das Urteil eine Handreichung für Mieter dar, die Lärmprotokolle wegen des Lärms aus Nachbarwohnungen führen. Gut beraten wären sie, wenn sie nicht nur den Zeitpunkt des Lärms angeben, sondern auch Angaben über Art, Dauer und Intensität im Protokoll machen. Hinsichtlich des Kinderlärms wird erneut betont, dass dieser nicht grenzenlos hinzunehmen ist und je nach Alter vermeidbarer Lärm zu reduzieren ist. 

BGH-Urteil vom 22.06.2021 VIII ZR 134/20

 

Autor: Martin Grebe, erschienen in Mieterforum Nr. 65 III/2021

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