Wohnungsunternehmen, die nicht nach Gewinn streben, sondern Wohnungen nur zum Selbstkostenpreis anbieten – zu schön, um wahr zu sein? Laut Beschluss der Bundesregierung Anfang Juni bald nicht mehr, denn die Wohnungsgemeinnützigkeit soll zurückkehren. Aus Sicht von Mieterschützer:innen jedoch nur in einer abgespeckten Version.
Die alte Wohnungsgemeinnützigkeit wurde 1989 abgeschafft. Damals gehörten allein in Dortmund 110.000 Wohnungen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, die sich auf eine Kostenmiete beschränkten, dafür jedoch steuerliche Vorteile genossen. Zu diesen Unternehmen zählten Genossenschaften, kommunale und landeseigene Wohnungsunternehmen sowie der Werkswohnungsbau. Ein großer Teil der Wohnungen wurde später an Investoren verkauft und muss nun als Anlageprodukt auf dem Finanzmarkt konkurrieren. Mieterschützer:innen setzten sich seit Jahren für eine Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit ein. Ihre Hoffnung war groß, als sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde.
Anstatt ein eigenes Gesetz zu schaffen, soll Gemeinnützigkeit über eine Änderung in der Abgabenordnung des kommenden Jahressteuergesetztes geschaffen werden. Darin wird festgelegt, was als gemeinnützig gilt und welche Organisationen steuerlich begünstigt werden, wie zum Beispiel Vereine und Stiftungen. Klassischerweise kennt man dies von Sport- und Kulturvereinen oder Sozialverbänden. Künftig sollen auch Wohnungsunternehmen, die vergünstigten Wohnraum anbieten, als gemeinnützig anerkannt werden. Für gemeinnützig vermietete Wohnungen sollen Einkommensgrenzen bei der Anmietung gelten, die einmalig zu Beginn nachgewiesen werden müssen. Diese liegen bei maximal dem Fünffachen des Bürgergeld-Regelsatzes, bei Alleinerziehenden beim Sechsfachen. Bei einem Einpersonenhaushalt entspricht das nach Angaben des Bundesbauministeriums einem monatlichen Bruttoeinkommen von ca. 3.480 €. Bei mehreren Personen und Kindern steigen die Regelsätze entsprechend.
Während die Einkommensgrenzen relativ klar definiert sind, bleibt unklar, wie hoch die Mieten der gemeinnützigen Wohnungen sein dürfen. In der Abgabenordnung ist von einem „vergünstigten Preis“ die Rede. Ob dies bedeutet, dass die Mieten unterhalb des Mietspiegel-Mittelwertes oder unterhalb der aktuellen Neuvertragsmieten für die gesamte Stadt liegen müssen, bleibt offen. Immerhin wird in der Gesetzesbegründung erwähnt, dass dieses Kriterium erfüllt wäre, wenn die Miete nur die tatsächlichen Kosten deckt.
Eine starre, bundesweit einheitliche Regelung wäre auch nicht sachgerecht, da sie den unterschiedlichen Wohnungen und Märkten nicht gerecht würde. Es hätte jedoch auf die bewährte Kostenmiete nach der II. Berechnungsverordnung verwiesen werden können, die im sozialen Wohnungsbau lange Zeit klar geregelt war. So bleibt im Zweifel die Auslegung des örtlichen Finanzamtes, das die Anerkennung der Gemeinnützigkeit prüft. Das Bundesfinanzministerium könnte jedoch im Einvernehmen mit den Ländern Richtlinien schaffen.
Im Gegensatz zur früheren Wohnungsgemeinnützigkeit soll nun ein vollständiges Gewinnausschüttungsverbot gelten. Einnahmen aus der Vermietung dürfen nur in den Bestand und das Unternehmen reinvestiert werden. Damit werden die Unternehmen als Geschäftsmodell völlig unattraktiv. Renditemöglichkeiten einzuschränken ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Sollen die Gesellschaften jedoch auch aktiv bauen und nicht nur Bestände verwalten, ist Kapital von außen notwendig.
Die frühere Wohnungsgemeinnützigkeit erlaubte immerhin eine Ausschüttung von 4 % auf die eingezahlten Einlagen. Bei einer solchen Regelung wären Neugründungen im Werkswohnungsbau oder ein Wechsel von kommunalen Wohnungsunternehmen sowie Genossenschaften wahrscheinlicher. Für finanzmarkt- und renditeorientierte Investoren bliebe diese Regelung jedoch weiterhin uninteressant.
Damit die neuen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen effektiv arbeiten können, ist eine gute staatliche Förderung notwendig. Im Koalitionsvertrag waren neben steuerlichen Vorteilen auch Investitionszulagen angekündigt. Diese fehlen im Konzept der Bundesregierung bisher vollständig.
Sollte der Bund hier nicht nachbessern, wären alleine die Länder über die Wohnraumförderung und die Kommunen über die vergünstigte Abgabe von Bauland gefragt. Im Gegensatz zum bisherigen sozialen Wohnungsbau könnten Investitionen aus Mitteln des Bundes der Einstieg in eine dauerhafte Preisbindung sein, da die Bindungen, anders als bei bisherigen Förderprogrammen, nicht nach 20 oder 30 Jahren auslaufen würden.
Noch sind viele Fragen offen, wie die Rahmenbedingungen für die neuen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen aussehen werden. Vor allem ist unklar, wer diese neuen Möglichkeiten nutzen möchte und kann. Kleinere Organisationen könnten davon profitieren, während die großen Akteure der Wohnungswirtschaft wohl nicht interessiert sein werden. Bleibt die Neugründung von öffentlichen, gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Selbst die Bundesregierung sieht die Wirkung als begrenzt an und geht davon aus, dass deutschlandweit aktuell nur etwa 100.000 Mieter:innen davon profitieren könnten.
Erschienen im Mieterforum NR. 77 III/2024
Offener Brief verschiedener Verbände zur Diskussion im Bundestag vom 25.09.2024
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