30. September 2024 (Wohnungspolitik)

Ein Ort für alle - Das Sozial-Ökologische Zentrum

Wie schafft man soziale Zentren und haucht zugleich nicht mehr genutzten Gebäuden neues Leben ein? Ein Verein in der Dortmunder Nordstadt probiert es aus: Seit einem Jahr ist in der ehemaligen Markuskirche nahe dem Klinikum Nord das Sozial-Ökologische Zentrum SÖZ beheimatet. Mit dem großen Kirchenschiff, einem Café und vielen Räumen für Workshops, Bandproben, Leserunden und mehr soll es vor allem eins sein: ein offener Ort für alle.

Foto: Alexandra Gehrhardt

„Es gibt so wenig Orte, an denen Menschen einfach mitgestalten können“, erklärt Bine, eine der Aktiven im SÖZ. Hier ist das anders. Das SÖZ ist selbstverwaltet, die Nutzer:innen kümmern sich also um alles selbst: welches Programm läuft, wie das Café gestaltet wird, wann es geöffnet hat und wie der Garten genutzt wird; aber auch um Organisatorisches wie Putzen, Finanzen oder Öffentlichkeitsarbeit. Das Zentrum lebt von ehrenamtlichem Engagement, Gehalt bekommt hier niemand. Einmal in der Woche gibt es ein Plenum, in dem grundlegende Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel Anfragen für Veranstaltungen.

Wie das SÖZ an eine Kirche gekommen ist, ist eine ganz eigene Geschichte: Fast 60 Jahre lang war die Markuskirche in der Gut-Heil-Straße in der Nordstadt Ort für das Wort Gottes: hier wurden Gottesdienste gefeiert, Hochzeiten, Taufen, Chöre trafen sich hier, genau wie Senior:innen. Mit der Verkleinerung des Kirchenkreises war vor einigen Jahren klar: Die Markusgemeinde bleibt nicht bestehen. Gleichzeitig war schon seit drei Jahren eine Gruppe junger Dortmunder:innen auf der Suche nach Räumen für einen neuen gemeinschaftlichen Ort: ein selbstverwaltetes sozial-ökologisches Zentrum. Pfarrer Laker von der Paulusgemeinde brachte beide Parteien zusammen, und nach einigen Gesprächen war klar: das könnte klappen. Der „Verein für die sozial-ökologische Transformation e.V.“ wurde gegründet, und weil auch die politischen Verhältnisse in der Stadt passten, gab es eine Anschubfinanzierung für zwei Jahre aus dem Rat. Im September 2023, nach monatelangem Umbau, öffnete das SÖZ seine Türen.

Stadt von unten

„Mittlerweile ist das Programm voll und vielfältig. Es gibt ein feministisches Müttercafé, Lesungen, Vorträge, eine Gala für queere Poetry. Immer montags ist Yoga und dienstags Kampfsport, das offene Gärtnern geht immer. Die unkommerziellen Angebote kommen aus den eigenen Reihen, von Menschen, die das SÖZ ohnehin nutzen.

Überhaupt, der riesige Garten. Er erstreckt sich über die komplette Breite des früheren Gemeindehauses und ist neben dem Café ein Herzstück des SÖZ. Auf der einen Seite spendet die hohe Hauswand Schatten, auf der anderen die riesige Platane. In der Mitte stehen einige in Sandstein gefasste Hochbeete, daneben eine Kräuterschnecke. „Für den Nutzgarten haben wir eine Förderung von Querbeet bekommen“, erzählt Bine. Zwischen Brokkoli und anderem Gemüse muss Kraut gezupft werden, unter der Platane sägen einige Leute alte Europaletten klein, aus dem Holz soll ein Tresen gebaut werden. „Das Gemüse, das wir anpflanzen, wollen wir für die Kochgruppe nutzen, die Schnittblumen für das Café“, erklärt Bine. „Wir wollen ein ganzjähriges Blühangebot schaffen, auch für Insekten und andere Tiere.“ Sie ist Naturpädagogin und will den Garten tier- und insektenfreundlich anlegen. „Es gibt durch zunehmende Flächenversiegelung immer weniger Lebensräume für Insekten, Vögel und andere Tiere. Also wollen wir hier ein Gegengewicht setzen.“ Dass soziale und Klimagerechtigkeit zusammen gedacht werden müssen, und dass hier ein Ort sein kann, dies umzusetzen, gehört zum Selbstverständnis des SÖZ.

Mit dem Garten erreicht das SÖZ vielleicht am ehesten diejenigen, die bei anderen linken sozialen Zentren, trotz aller Mühen,  nicht so stark eingebunden werden können, wie man das möchte: die Nachbarschaft. Immer wieder kämen Nachbar:innen, die mit dem SÖZ sonst eigentlich nichts zu tun hätten vorbei, und würden einfach mitmachen, erzählt Bine. Auch Menschen aus der früheren Markusgemeinde kämen regelmäßig ins jetzt neue Café. „In der Nordstadt leben viele Menschen auf engem Raum, haben eben keinen Garten, keinen Ort zum Zusammenkommen. Den wollen wir hier anbieten, und auch die Möglichkeit, ihn selbst zu gestalten.“ Denn neben schönen Freizeitaktivitäten hat das SÖZ durchaus einen politischen Kern: „Wir sind ein Nachbarschaftszentrum, aber auch ein dezidiert antifaschistischer, antikapitalistischer Ort. Es geht uns um Demokratie.  Darum, miteinander zu reden und sich zusammen zu tun“ – auch mit Blick auf die zunehmend reaktionäre und rechte Stimmung in der Gesellschaft.

Fertig ist das SÖZ noch lange nicht. Im Garten soll bald noch aus Totholz, Erde und Steinen ein sogenannter Käferkeller, also ein Lebensort für Käfer und andere Insekten entstehen. Auch eine große Schaukel und vieles andere mehr ist angedacht. Die kleinen Räume im Keller sollen mittelfristig ihre Nutzung als offene Werkstatt, als Medienstudio oder Proberäume finden. Eine große Aufgabe wird der Umbau des alten Kirchenschiffs, damit in der riesigen Halle nicht nur Yoga und Sportangebote stattfinden können, sondern auch mal Konzerte und größere Veranstaltungen. „Das SÖZ funktioniert nur, weil viele Menschen viel Zeit hier verbringen. Und es lebt davon, dass sich Menschen einbringen und das Zentrum aktiv mitgestalten. Das SÖZ geht nur gemeinsam.“ 

Das SÖZ freut sich über neue Mitgestalter:innen. Wer mitmachen möchte, kann sich per E-Mail (soez-do@riseup.net) oder Instagram (@soez.dortmund) melden oder immer donnerstags um 19 Uhr zum Plenum kommen: SÖZ Dortmund, Gut-Heil-Straße 12.

Autorin: Alexandra Gehrhardt, Erschienen im Mieterforum NR. 77 III/2024


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