20. Dezember 2024 (Wohnungspolitik)

Begegnungsort statt Kolonialwarenlager

Die Transformation des Hafenquartiers schreitet voran. Im Sommer eröffnete in der Dortmunder Speicherstraße nach dreijähriger Bauzeit der „Heimathafen Nordstadt“. In dem ehemaligen Lagerhaus aus der Kolonialzeit entstand ein integratives Zentrum. Die inhaltliche Ausrichtung: Beratung, Bildung, Qualifizierung und Kultur. Ein wichtiger Meilenstein auf dem langen Weg zur Aufwertung des Quartiers.

Foto: Florian Eichenmüller, GrünBau

Die ersten Bemühungen, das Gebiet rund um die Speicherstraße städtebaulich aufzuwerten starteten vor mehr als zwanzig Jahren. Bereits 2005 eröffnete auf einer Freifläche zwischen zwei Speichergebäuden, direkt gegenüber des Heimathafens, die Strandbar Solendo und wurde schnell zu einem überregionalen Ausflugsziel. Die Mischung aus Strandkörben, Cocktails und authentischer Industriekultur funktionierte. Doch ein paar Jahre später schloss das Solendo wieder seine Pforten. Streitigkeiten mit einzelnen Anwohner:innen aufgrund der Lärmbelästigung waren ein Grund, interne Querelen zwischen den beiden Betreibern ein anderer.

Keine Partymeile

Es folgte eine Neuausrichtung seitens der städtischen Verantwortlichen. Statt Partymeile standen nun der Leitgedanke „Industrie trifft Digitalität“ und die Ansiedlung von Büro-, Gewerbe- sowie Gastronomiebetrieben im Vordergrund. Mit dem Lensing Media Port, dem Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) und der Akademie für Theater und Digitalität konnten gleich drei strahlkräftige Institutionen in die Speicherstraße gelockt werden, deren Publikum bzw. Zielgruppe sich bisher wahrscheinlich eher selten in die Nordstadt gewagt hat.

Der Heimathafen hingegen wendet sich bewusst auch an die Menschen aus dem Stadtteil und versteht sich als zentrale Anlaufstelle für Zugewanderte, Geflüchtete und all jene, die im Quartier leben. Betrieben wird das Zentrum von der GrünBau gGmbH, einem Unternehmen, das tief in der Nordstadt verwurzelt ist.

Kritischer Blick

Bemerkenswert ist der bewusste Umgang mit der Geschichte des Ortes. Denn in dem über 120 Jahre alten Gebäude wurden früher nicht nur Pferde und Fuhrwerke untergestellt, es wurden auch Tonnen von Kaffeebohnen geröstet und Kolonialwaren aus fernen Ländern gelagert. „Für uns war klar, dass wir uns mit der Geschichte des Ortes beschäftigen müssen“, sagt Florian Eichenmüller von GrünBau. Und so wurde die Eröffnung des Heimathafens im Mai mit dem 1. Dortmunder Dekolonialtag verbunden. Das Motto: „How to decolonize Heimat“. Das Ziel: Die deutsche Kolonialgeschichte sichtbar zu machen und an die Opfer der gewalttätigen und rassistischen europäischen Expansion zu erinnern.

Viele Funktionen

Die Federführung für die neue Begegnungsstätte liegt bei der Stiftung Soziale Stadt, die das Projekt in enger Kooperation mit dem Amt für Stadterneuerung umsetzte. Auf rund 1.900 Quadratmetern Nutzfläche werden Qualifizierungs- und Sprachkurse ebenso angeboten wie Kulturtrainings, Weiterbildungsveranstaltungen und Beratung zu asylrechtlichen Fragen. Außerdem bietet der Heimathafen Nordstadt Freiräume für den künstlerischen Nachwuchs vor Ort und stellt gleichzeitig eine Infrastruktur für selbstorganisierte Aktivitäten bereit. Insgesamt 33 Mitarbeiter:innen von GrünBau arbeiten hier. Entweder in den Büros oder in dem im Erdgeschoss angesiedelten Restaurant „Nansen“, das nach dem norwegischen Polarforscher und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Wedel-Jarlsberg Nansen benannt wurde.

Ausbildungsbetrieb

Das Nansen ist nicht nur gastronomische Anlaufstelle in der Speicherstraße, sondern auch Ausbildungsbetrieb. „Die Zielgruppe für die Ausbildungsstellen sind vor allem junge Erwachsene ohne Schulabschluss, die vielleicht schon ein paar Ausbildungen abgebrochen haben“, erklärt Betriebsleiterin Katharina Neumann, die ebenfalls bei GrünBau angestellt ist. Bereits während der Bauphase wurden Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote geschaffen und auch im laufenden Betrieb des Zentrums spielen Berufshilfeangebote eine zentrale Rolle. Trotzdem betont Neumann, dass das Restaurant wie jede andere Gastronomie funktionieren muss und soll. „Wir müssen unseren Besucher:innen schon etwas bieten“, sagt Katharina Neumann. „Denn bisher ist es nicht so, dass die Menschen einfach so den Weg zu uns finden.“ Laufkundschaft im klassischen Sinn gibt es bisher noch nicht.

Baustelle

Das liegt auch daran, dass längst nicht alles fertig ist. Weder im Heimathafen noch in den anderen Gebäuden noch auf der Straße. Überall stehen Baufahrzeuge, Handwerker:innen tragen Material über die Straße, LKW liefern Baustoffe. „In unsere Kellerräume soll „Dortmund Musik“, die ehemalige Musikschule Dortmund, einziehen, aber noch gibt es ein paar Probleme mit dem Grundwasser“, erklärt Florian Eichenmüller. Der Kanal ein paar Meter weiter und die tiefe Lage des Standortes sorgen dafür, dass der Keller bisher nicht wie geplant genutzt werden kann. „Aber das werden wir auch noch in den Griff bekommen“, sagt Eichenmüller zuversichtlich.

Rund 10 Millionen Euro flossen in die Sanierung des alten Gebäudes. Geplant waren ursprünglich deutlich geringere Kosten. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln der EU, des Bundes, des Landes NRW und der Stadt Dortmund über das Stadterneuerungsprogramm „Soziale Stadt – Dortmund Nordstadt“. Der Heimathafen Nordstadt ist damit mehr als nur ein saniertes historisches Gebäude. Er ist ein quicklebendiges Leuchtturmprojekt, das zeigt, wie städtebauliche Entwicklung und gesellschaftliche Verantwortung Hand in Hand gehen können.

Tradition und Zukunft

Mit dem Heimathafen ist ein Ort entstanden, der dringend gebraucht wird. Denn die Nordstadt war und ist ein bevorzugtes Ziel von Zugewanderten und Geflüchteten. Der Heimathafen bietet ihnen nicht nur praktische Unterstützung, sondern schafft offene Begegnungsräume, in denen sich Menschen aller Nationalitäten auf Augenhöhe begegnen können. 

Autor: Mirko Kussin Erschienen in Mieterforum Nr. 78 (IV/2024)


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