25. März 2024 (Wohnungspolitik, Wohnungsmarkt)

Falsche Weichenstellungen. Bund zahlt jährlich 700 Mio. Euro – weil Sozialwohnungen fehlen

Mitte Januar wurde eine vom Bündnis „Soziales Wohnen“ in Auftrag gegebene Studie des Pestel-Instituts aus Hannover veröffentlicht. Diese beschäftigt sich mit dem Mangel an sozialem Wohnraum und den daraus resultierenden Kosten für den Bund. Das desaströse Ergebnis: Falsche Weichenstellungen, die mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten – pro Jahr.

„Die Lage am Wohnungsmarkt spitzt sich weiter zu: steigende Mieten, kaum Neubau und keine Besserung in Sicht.“ Mit deutlichen Worten fasste Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB) die aktuelle Situation für Mieter:innen zusammen. „Es fehlen mehr als 900.000 bezahlbare Sozialwohnungen im Bundesgebiet. Die Krise mit immer höheren staatlichen Zuschüssen fürs Wohnen zu lösen, führt ins Leere.“

Neben dem DMB sind die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksund Wohnungsbau (DGfM) sowie der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) Teil des Bündnis „Soziales Wohnen“. Allesamt Akteure, die den Wohnraummangel und dessen Folgen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beobachten.

Die Ausgangslage

400.000 neue Wohnungen pro Jahr, 100.000 davon Sozialwohnungen – das war das ambitionierte Ziel, das die frisch gewählte Ampelkoalition Anfang 2022 auf dem Wohnungsbau-Tag verkündete. Zwei Jahre später wissen nicht nur Wohnungsexperten, dass die Regierung an ihren eigenen Vorgaben krachen gescheitert ist. Wurden 2022 immerhin noch 294.000 Wohnungen insgesamt gebaut (23.000 davon gefördert), sank die Zahl im folgende Jahr auf 270.000 Wohnungen. Für 2024 erwarten Fachleute einen weiteren Rückgang auf nur noch 235.000 Wohneinheiten. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung durch Zuwanderung und damit auch der Bedarf an günstigem Wohnraum. Die Folge: Insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten gibt es kaum noch bezahlbare Wohnungen.

Die beauftragten Wissenschaftler sammelten in ihrer Studie nicht nur diese dramatisch schlechten Zahlen, sondern betrachteten auch, welche finanziellen Belastungen für die Staatskasse dadurch entstehen. „Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren. Dabei zahlt er sogar Mieten, die oft deutlich über der Durchschnittsmiete liegen. Dadurch sind die notwendigen staatlichen Ausgaben für das Wohngeld und die Kosten der Unterkunft geradezu explodiert“, sagte Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut.

Zusatzkosten in Millionenhöhe

Bundesweit ermittelt die Studie bei den Kosten der Unterkunft im Vergleich zur Durchschnittsmiete Mehrkosten in Höhe von 700 Millionen Euro pro Jahr. Den örtlichen Jobcentern dürfte hier auch keine Alternative bleiben, da es zu wenige günstige Wohnungen am Wohnungsmarkt gibt. Neben den zurückgehenden Zahlen für den geförderten Wohnungsbau sind auch nicht ausreichende Mieter-schutzregelungen im Mietrecht bei Neuvermietungen Ursachen hierfür.

Insgesamt hat der Staat nach Angaben der Wissenschaftler im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Euro an Sozialausgaben für die Unterstützung bedürftiger Menschen beim Wohnen ausgegeben. Etwa 15 Milliarden Euro fielen dabei auf die Kosten der Unterkunft, die verbleibenden 5 Milliarden flossen in das Wohngeld. Zum Vergleich: In den sozialen Wohnungsbau steckten Bund und Länder in den vergangenen Jahren kaum mehr als 4 Milliarden Euro pro Jahr. „In der Konsequenz führt ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen dazu, das Wohngeld und die staatlichen Ausgaben für die Kosten der Unterkunft laufend zu erhöhen. Aber: Wohngeld und Kosten der Unterkunft schaffen keine Wohnungen“, fasst Katharina Metzger, Präsidentin des BDB zusammen.

Forderungen

Die Veröffentlichung der Studie nutze das Bündnis, um – einmal mehr – eine Neubauoffensive im sozialen Wohnungsbau zu fordern. 900.000 Sozialwohnungen sollen bis zum Jahr 2030 entstehen, durch Neubau, aber auch durch Preis- und Belegungsbindungen von Bestandswohnungen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt das Bündnis auf eine gezielte Förderung und ein schnelles und konsequentes Handeln. Einzelmaßnahmen könnten etwa eine Mehrwertsteuer-Absenkung auf 7 Prozent für den Neubau von Sozialwohnungen sein, ein 50-Milliarden-Paket, das unabhängig von Schuldenbremse und Haushaltsstreitigkeiten zur Verfügung steht sowie ein Sonderkontingent von Sozialwohnungen für besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen. „Es braucht jetzt endlich eine effektive Begrenzung von Mieterhöhungsspielräumen und deutlich mehr Ausgaben für den Bau von Sozialwohnungen. Nur so lässt sich die Negativspirale am Mietmarkt durchbrechen und bezahlbares Wohnen langfristig sicherstellen“, so Lukas Siebenkotten. Aus Sicht des Mietervereins Dortmund würde darüber hinaus eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit die Möglichkeit für dauerhafte Bindungen schaffen. „Diese steht sogar im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung, die Umsetzung steht jedoch in den Sternen“, so Markus Roeser, Wohnungspolitischer Sprecher des Mieterverein Dortmund. (Bündnis Soziales Wohnen/mik)

Autor: Mirko Kussin

Erschienen im Mieterforum Nr. 75 (I/2024).


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